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Vor Spiel bei Schalke: Die Augsburger Musterschüler

Klassenbester der Baum-Schule: Kein Bundesligaspieler gab mehr Torvorlagen als Philipp Max. Bild: nordphoto

Augsburg-Trainer Manuel Baum hat seiner lernwilligen Mannschaft sogar den Ballbesitzfußball beigebracht. Kurz vor Weihnachten greift der FCA die Europacup-Plätze an.


Hertha-Trainer Pal Dardai schien beinahe schon ein schlechtes Gewissen zu haben, als er das 1:1 seiner Mannschaft gegen den FC Augsburg kommentieren sollte. Den „Lucky Punch" in der Nachspielzeit, so Dardai, den habe es nur gegeben, weil die „klar bessere Mannschaft" es zuvor verpasst hatte, auch das zweite, dritte oder vierte Tor zu schießen. Der FC Augsburg sei eben eine „top organisierte Truppe", lobte der 41-Jährige weiter, ehe er zu Manuel Baum blickte und das laut aussprach, worüber sich die Trainer in der Fußball-Bundesliga eigentlich schon lange einig sind: „Was mein Kollege hier aufgebaut hat, verdient Respekt."

Höflich bedankte sich Baum für die genauso netten wie ernst gemeinten Worte, und auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, so dürfte ihm die Anerkennung eines mittlerweile etablierten Bundesliga-Trainers wie Dardai so etwas wie innerliche Befriedigung verschafft haben. Kritisch wurde Baum beäugt, als er vom Cheftrainer des Nachwuchsleistungszentrums zu dem der Profimannschaft befördert wurde.

Taktisch möge er ja ganz gut sein, mahnten die Skeptiker damals, aber für dieses Niveau sei Baum viel zu unerfahren, denn jede noch so ausgeklügelte Spielidee funktioniere nur mit einer gelungenen Mannschaftsführung. Das war vor ziemlich genau einem Jahr, und weil Baum in der vergangenen Spielzeit nicht nur den Klassenverbleib mit dem FCA geschafft hat, sondern ihm und seiner Mannschaft am Wochenende auch beinahe der Sprung auf einen Champions-League-Platz gelungen wäre, spricht darüber niemand mehr.

Es sind aber nicht unbedingt nur die guten Ergebnisse, worauf sie in Augsburg derzeit stolz sind, denn diese sind - wie am Sonntagabend gegen die Hertha - immer auch ein Stück weit vom Glück auf der einen oder vom Pech auf der anderen Seite abhängig. Nur bei der 0:3- Auswärtsniederlage gegen die durch den Heynckes-Effekt beflügelt aufspielenden Bayern schafften es die Augsburger nicht, ihrem Gegner mit einem ebenso gut durchdachten wie umgesetzten Spielkonzept nicht zumindest auf Augenhöhe zu begegnen - und vielleicht wäre ihnen das auch in München gelungen, wenn das Spiel ein paar Wochen zuvor stattgefunden hätte.

An den Leistungen seines Teams gebe es bis auf diese eine Ausnahme nur selten etwas auszusetzen, sagt Baum, dessen Erfolgsrezept nicht nur eine intensive und individuelle taktische Vorbereitung auf den jeweils nächsten Gegner vorsieht, sondern auch die Eigenverantwortung seiner Spieler: „Sie bekommen mit, dass Fußball nicht nur Spaß, sondern vor allem harte Arbeit ist. Und diese Einstellung brauchen sie, um meine Vorgaben auf dem Platz umzusetzen."

Hart gearbeitet haben die FCA-Spieler in den vergangenen Wochen offensichtlich an ihren Qualitäten bei eigenem Ballbesitz. In verschiedenen Grundformationen Passwege und Räume zustellen sowie dem Gegner das Leben durch aggressive Zweikampfführung das Leben schwermachen, das konnten die Augsburger vorher schon. Inzwischen verstehen sie es aber ebenso, damit umzugehen, wenn ihnen die Initiative im Spiel überlassen wird - und sie finden auch gegen tiefstehende Gegner durch plötzliche Tempowechsel immer wieder Lücken auf den Außenbahnen, die vor allem Philipp Max für sich zu nutzen weiß.

Der Linksverteidiger gehörte zwar schon in den vergangenen beiden Spielzeiten zum Stammpersonal in Augsburg, im kontinuierlich flotter werdenden Umschaltspiel von Baum blühte er aber erst in dieser Saison zum derzeit besten Vorlagengeber der Liga auf. Achtmal setzte Max, der mit seinen Leistungen inzwischen auch das Interesse von Top-Klubs aus England geweckt haben soll, seine Mitspieler vor einem Torerfolg des FCA bereits in Szene. „Mit den Leistungen, die er abliefert, setzt er schon eine Marke", lobte Baum den 24-Jährigen unlängst.

Dass sich Max ausgerechnet unter Baum - seinem ehemaligen Lehrer an der Walter-Klingenbeck-Realschule in Taufkirchen - zum Schlüsselspieler beim FCA und einem der aktuell besten Außenverteidiger in der Bundesliga entwickelt hat, liegt auch daran, dass er sich etwas bewahrt hat, was sein Trainer schon in jungen Jahren an ihm schätzte. Ausgesprochen lernwillig sei Max als Schüler gewesen, erzählte Baum einmal, und genau dieses Streben nach stetiger Verbesserung sei auch im Fußball eines seiner wichtigsten Prinzipien.

An diesem Mittwoch (20.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei Sky) sollten die Augsburger beim FC Schalke 04 aber erst einmal wieder einen Aspekt in ihrem Spiel verbessern, bei dem sie noch viel Luft nach oben haben: die Effizienz im Torabschluss. Es mache derzeit einfach Spaß, dem FCA zuzuschauen, sagte Max nach dem Spiel gegen die Hertha, allerdings wolle er künftig vermeiden, dass sich eine gute Leistung hinterher „wie eine Niederlage" anfühlt. „Wenn wir so weiterspielen, dann können wir aber positiv nach vorne schauen." Wohin genau die Augsburger schielen, will in Bayrisch-Schwaben aber niemand verraten. Vielleicht ja wirklich auf einen Champions-League-Platz - zumindest für die Zeit über die besinnlichen Weihnachtsfeiertage.

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