Bilder wie diese wird es vorerst nicht mehr geben - denn der jahrelange Hickhack um die Berliner Friedrichstraße geht in die nächste Runde: Der neue CDU-geführte Senat beendet am 1. Juli das rot-rot-grüne Experiment Fußgängerzone, der Autoverkehr soll wieder rollen.
Straßenumfrage "Für die Geschäftsleute denke ich, dass die Autos schon wichtig sind, obwohl man hier auch nicht parken kann." "Ich persönlich finde das mit der Fußgängerzone ganz toll." "Es gibt keinen Grund, die Friedrichstraße autofrei zu halten. Man kann sie verkehrsberuhigen, aber die Diskussion dafür ist ein bisschen albern." "Das ist ein ständiges Hin und Her für mich gefühlt. Für mich ist es okay, wenn es wieder geöffnet wird für die Autofahrer. Ich denke, auch für die Geschäfte ist es dann ein bisschen belebter."Es geht um 500 Meter im historischen Zentrum Berlins, unweit von Gendarmenmarkt und Checkpoint Charlie. Das Verkehrsexperiment bestimmte den Berliner Wiederholungs-Wahlkampf Anfang des Jahres mit: In der Verkehrspolitik gerieten vor allem die CDU und die Grünen um die damalige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch aneinander.
Bettina Jarrasch, Grünen-Spitzenkandidatin: "Ich möchte die Mobilitätswende in die ganze Stadt bringen."
Kai Wegner, CDU-Spitzenkandidat: "Und das, was die Grünen hier gerade betreiben, insbesondere Bettina Jarasch mit ihrer, wirklich, Anti-Auto-Politik wird mit mir nicht zu machen sein. Punkt."
Als neuer Regierender Bürgermeister löst Kai Wegner dieses Versprechen nun ein. Die Groko in Berlin kassiert viele grüne Verkehrsprojekte, auch das in der Friedrichstraße.
Das freut Anja Schröder - Gründerin des Aktionsbündnisses "Rettet die Friedrichstraße". Schröder betreibt einen Weinladen in der Charlottenstraße, einer Parallelstraße der Friedrichstraße, und klagte gegen deren teilweise Sperrung für Autos. Aus ihrer Sicht fehlte von Anfang an ein Gesamtkonzept auch für die umliegenden Straßen.
Anja Schröder, Aktionsbündnis "Rettet die Friedrichstraße": "Wenn man sperrt, fließt der Verkehr durch die kleinen Nebenstraßen, hier plus 140 Prozent."
Das habe dort die Aufenthaltsqualität gesenkt und den Lieferverkehr extrem erschwert - allein ihr Laden habe 40 Prozent weniger Umsatz gemacht.
Für die Gewerbetreibenden der benachbarten Friedrichstraße seien die Folgen der Sperrung für Autos noch gravierender gewesen. Von 50 Prozent Leerstand spricht das Aktionsbündnis. Die Zahl der Besucher habe sich halbiert. Andere Untersuchungen sehen dagegen einen positiven Effekt auf Besucherfrequenz und Verweildauer. Das Problem: Die Sperrung fiel zusammen mit der Coronapandemie, Vorher-Nachher-Vergleiche sind also schwierig. Fest steht: Die Abwanderung großer Läden hatte schon lange vorher begonnen. Für Schröder hat der Verkehrsversuch die kritische Lage für den Handel aber noch einmal verschärft.
Anja Schröder, Aktionsbündnis "Rettet die Friedrichstraße": "Schön, dass die Leute in der Pause rausgehen. Aber Läden bleiben leer, und das ist schade."
Neue Kunden wird der Autoverkehr sicher nicht in die Friedrichstraße bringen, sagt Roland Stimpel vom Verein Fuss e.V. Der Fußgänger-Lobbyist erwartet vielmehr die Rückkehr alter Probleme.
Roland Stimpel, Fuss e.V.: "Gehwege zu schmal, es wird eng und stressig, und das, was man angeblich will, dass mehr Kundschaft kommt, genau das wird nicht passieren. Es werden weniger Leute kommen, weil es einfach keinen Spaß mehr macht hier lang zu gehen."
So richtig Spaß hatten viele Berliner an dem Verkehrsexperiment allerdings auch nicht: 52 Prozent sprachen sich in repräsentativen Umfragen vor der Wiederholungswahl im Februar gegen eine für Autos gesperrte Friedrichstraße aus - , die CDU konnte mit ihrer Positionierung als Autofahrer-Partei vor allem in den Außenbezirken punkten. Und wie sehen es die Menschen am Ort des Experiments?
Straßenumfrage "Ich arbeite gleich die Straße runter und war für die Mittagspause jetzt auch gerne hier und habe mich dort ganz gemütlich in die Sonne gesetzt. Und das wird jetzt vorbei sein." "Ich fände es schon gut, wenn ein Stück für Fußgänger frei bliebe. Bloß ich bin mir nicht sicher, ob das das richtige Stück ist." "Ich bin hier als Tourist, also, ich wohne nicht hier in Berlin, und ich muss sagen, wir haben ja gestern mit dem Fahrrad gefahren, und das war ganz gut, um hier ruhig zu fahren mit das Fahrrad."Eine der letzten Polizeikontrollen vor der Wiederöffnung. Die Zeit der Experimente ist vorbei - vorerst. Der neue Senat will ab Herbst einen "Verkehrs-Masterplan" für die Friedrichstraße und das gesamte Quartier erarbeiten, unter Beteiligung aller Interessengruppen. Wer Berlin kennt, weiß: Das kann dauern.