Vor rund einem Jahr, am Beginn der Coronapandemie, waren wir schon einmal bei Familie Laue in Berlin-Marzahn. Jetzt interessiert uns, wie es der alleinerziehenden Mutter Jessica und ihren drei Kindern seitdem ergangen ist.
"Hallo, schön, dass wir da waren. Hallo Frau Laue." "Die Schuhe bitte hier vorne ausziehen." "Ja. Der schöne BVB-Teppich hier."Rückblick: April 2020, Homeschooling ist der neue Alltag. Die Familie lebt von Hartz IV. Mutter Jessica ist seit Jahren auf Jobsuche. Sie hat Malerin und Lackiererin gelernt und vor rund fünf Jahren zur Industriekauffrau umgeschult. Corona bedeutet für die Familie vor allem mehr Zeit zu Hause - und größere Geldsorgen.
Heute, ein Jahr später: Die Familie hat sich mit dem Corona-Alltag arrangiert. Alex und seine beiden Geschwister können zumindest wieder tageweise in die Schule gehen, auch wenn sie nach wie vor mehr Zeit als früher zu Hause verbringen. Die größte Veränderung: Jessica Laue hat einen Arbeitsplatz gefunden, Vollzeit als Buchhalterin in einem Stadttheater.
Familie Laue aus Berlin-Marzahn ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es für Familien mit niedrigem Einkommen ist. In ihrem neuen Job verdient Jessica Laue den Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro pro Stunde. Das ergibt bei 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche rund 1650 Euro brutto - und in ihrem Fall rund 1300 Euro netto pro Monat. Zieht sie die Miete von 700 Euro ab, sowie die weiteren monatlichen Fixkosten wie Strom, Telefon und Versicherungen, bleibt vom Lohn so gut wie nichts übrig. Deswegen die Aufstockung durch Hartz IV.
Hartz IV plus Kindergeld und Unterhaltsvorschuss, damit kommt die vierköpfige Familie plus Katze Mauzi über die Runden. Aber für Urlaub, Freizeit oder ein kleines Polster reicht es kaum. Das spüren natürlich auch die Kinder. Heute hat Andy Geburtstag. Er wird 16, sucht zurzeit einen Ausbildungsplatz. Sein Geschenk: ein Kartenspiel.
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL"Wie ist das für dich, wenn du siehst, andere Kinder haben vielleicht Geburtstag und kriegen da irgendwie die Riesenplaystation oder was?"Vor einem Jahr brachte das soziale Kinderhilfswerk Arche das Geburtstagsgeschenk. Auch heute ist die Familie noch auf deren Angebote wie kostenloses Mittagessen oder die Kleiderkammer angewiesen. Auch daran hat der neue Job nichts geändert.
Der Geburtstagskuchen ist in Arbeit. Jessica Laue hat es nach Jahren geschafft: raus aus der Arbeitslosigkeit, und das trotz der Pandemie. Die Geldsorgen aber sind geblieben. Hartz IV ist geblieben. Trotzdem sieht die 37-Jährige eine Erhöhung des Mindestlohns eher kritisch.
Jessica Laue, alleinerziehende Mutter "Ob man jetzt wirklich über den Mindestlohn diskutieren muss, finde ich, müsste man sehen, weil ich nicht weiß, wie viele Firmen den überhaupt zahlen könnten. Und nicht, dass es dann heißt: Um dir den Mindestlohn zu zahlen, muss ich einen anderen aber entlassen. Wo ich mir sage, das ist dann auch schwierig in der jetzigen Zeit."
Rund jeder dritte Alleinerziehendenhaushalt muss Grundsicherung vom Staat beziehen, darunter auch viele Erwerbstätige wie Jessica Laue. Sie hofft auf den nächsten Schritt: Berufserfahrung zu sammeln, um dann einen besser bezahlten Job zu finden.