Es ist ein Wahlkampf mit Hindernissen. Noch wenige Tage bis zur Kommunalwahl in Erding. Für Cornelia Ermeier von den Grünen und Benedikt Lika von der CSU zählt jetzt jede Stimme. Doch es wird Rückschläge für sie geben. Das BR-Politikmagazin Kontrovers hat beide Wahlkämpfer begleitet. Für Ermeier ist Straßen- und Haustürwahlkampf eine Premiere: "Grundsätzlich bin ich gespannt, ob man überhaupt ins Gespräch kommt oder gleich wieder abgewiesen wird."
Cornelia Ermeier ist seit einem Unfall mit 13 Jahren querschnittsgelähmt. Ihren Rollstuhl steuert sie mit dem Kinn. Direkter Kontakt zum Wähler: oft schwierig. Auch fehlende Aufzüge sind ein Problem - deshalb klingelt Ermeier nur im Erdgeschoss. Doch selbst da läuft es schleppend.
Wahlkampf mit HindernissenAlso Taktikwechsel: Passanten auf der Straße ansprechen. Im direkten Kontakt habe ihre Behinderung auch Vorteile, erklärt Ermeier:
"Man lehnt Behinderte, glaub ich, nicht so schnell ab und dann kommt man über gewisse Themen ganz gut ins Gespräch." Cornelia Ermeier, Bündnis 90/Die GrünenNoch ein Versuch an der Haustüre. Sie kommt ins Gespräch: "Ich mِöchte auch für Inklusion arbeiten. Das heißt, wenn eine Schule neu gebaut wird, dass dann in eine Klasse zum Beispiel eine Pädagogin mit reinkommt, von der dann auch alle Schüler mit profitieren." Die Gesprächspartnerin reagiert positiv: "Das ist doch auch eine tolle Idee, das ist gut."
Inklusion, Pflege, soziale Absicherung: das sind Cornelia Ermeiers Themen. Privat kämpft sie seit Jahrzehnten mit dem Gesundheitssystem und auch beruflich berät sie Menschen zum Thema Pflege. Deshalb der Gang in die Politik:
"Ich habe ja schon ziemlich viele Barrieren erlebt in meinem ganzen Leben, dass man Hilfe braucht, um die zu überwinden, dass da einfach die Stadt mit verantwortlich ist, sich darum zu kümmern. Und ich glaube, das weiß man halt als Behinderter schon." Cornelia Ermeier, Bündnis 90/Die Grünen Barrierefreiheit in Bayern: keine RealitätIn Bayern leben 1,2 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung, fast zehn Prozent der Bevِölkerung. Doch die Zahl der Politiker mit Behinderung ist verschwindend gering. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Einer der wenigen: Benedikt Lika von der CSU. Seit 2014 sitzt er im Stadtrat seiner Heimatstadt Augsburg. Sein Ziel dort: Barrierefreiheit für alle. In den städtischen Museen ist das zum Beispiel keine Selbstverständlichkeit: "Das Schaezlerpalais hat ein Juwel, den Rokokosaal. Darin finden Konzerte und Ausstellungen statt. Die Problematik ist, dass gerade hier leider der Zugang nicht barrierefrei ist. Für mich endet der Weg hier an den drei Stufen."
Barrierefrei: Aufzug nach zehn JahrenDeshalb bleibt ihm nur der Vorraum. Dabei liegen ihm Kunst und Kultur besonders am Herzen:
"Ich bin eigentlich Künstler von Haus aus. Ich habe Musikwissenschaft studiert, war lange Zeit Dirigent eines eigenen Festivalorchesters. Also ich bin der Meinung, Kultur und Kunst ist Menschenrecht und sollte für jeden zugänglich sein." Benedikt Lika, CSUJetzt ist ein Aufzug geplant. Auch auf Drängen von Lika im Stadtrat hin. Über zehn Jahre hatte die Diskussion gedauert - trotz aller Lippenbekenntnisse.
Ein barrierefreies Bayern. Noch ein ferner Wunsch. Das denkt auch Lika:
"Ich glaube, dass wir ein barrierefreies Bayern 2023 als Gesamtbayern wahrscheinlich nicht mehr schaffen werden. Aber ich glaube, dass der Freistaat Bayern in seinem Bereich die Barrierefreiheit schafft. Aber das Leben findet ja nicht nur in den Ämtern und Behörden statt." Benedikt Lika von der CSUZurück bei Cornelia Ermeier. Ihr Privatleben ist auch politisch. Denn sie ist auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen. Pläne zum neuen Intensivpflegegesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kِönnten dazu führen, dass sie bald ins Heim muss, befürchtet Ermeier: "Das hieße aber auch wiederum, ich kِönnte nicht arbeiten, ich kِönnte meine Freizeit nicht gestalten, im Prinzip nicht am Leben der Gesellschaft teilhaben."
Ein selbstbestimmtes Leben. Dieses Recht haben auch Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung. Im Stadtrat wollen Ermeier und Lika bald dafür kämpfen.