Computerspiele haben es vom Hobbykeller in die großen Arenen geschafft. Daddeln am Rechner hat sich längst zum Profisport entwickelt - und wird zum Rivalen für Fußball und Formel 1.
Michael Ballack und Oliver Kahn waren im Sangam-Stadion von Seoul Heroen. Vor 67.000 Zuschauern besiegten sie hier bei der Fußballweltmeisterschaft 2002 mit der deutschen Mannschaft Gastgeber Südkorea - und schafften so den Einzug ins Finale gegen Brasilien.
Wenn sich am Sonntag (19.10.) wieder die Ränge des Stadions für eine WM füllen, werden Deutsche nichts zu melden haben. Denn bei diesem Sportereignis geht es nicht um Fußball, sondern um das Echtzeit-Strategiespiel League of Legends (LoL). Mit mehr als 85 Millionen Hobbyspielern ist es eines der erfolgreichsten Computergames der Welt - und wird von asiatischen Spielern dominiert.
Wie im Fußball treten zwei Mannschaften, Clans genannt, gegeneinander an. Die fünfköpfigen Teams sitzen auf einer Bühne vor einem riesigen Bildschirm. Gebannt verfolgen Zehntausende Fans auf den Rängen und Millionen Zuschauer zu Hause jede Attacke, mit der die Spieler den Nexus des Gegners erobern wollen, ein virtuelles Gebäude. Den umjubelten Siegern winkt ein Preisgeld von einer Million Dollar.
Konkurrenz für realen SportFür die E-Sport-Szene sind die LoL-Weltmeisterschaften das größte Ereignis des Jahres. Längst ist das professionelle Daddeln ein Massenphänomen geworden. Sicher, seit es PCs gibt, spielen Menschen an und mit den Computern. Jetzt aber hat sich eine Profiszene herausgebildet, die vom einstigen Hobby-Vergnügen leben kann, ja sogar reich damit wird. Entstanden ist ein Milliardengeschäft mit Sponsoring, Live-Übertragungen und stadionfüllenden Mega-Events wie das Finale der WM.
E-Sport entwickelt sich allmählich zum ernst zu nehmenden Konkurrenten für Fußball, Formel 1 oder Tennis. Die Fans verbringen immer mehr Zeit vor dem Bildschirm, um die Kämpfe ihrer Helden zu verfolgen: Bis 2018 sollen sie insgesamt 6,6 Milliarden Stunden lang Videos von Spielen betrachten, fast eine Verdreifachung gegenüber 2013 (siehe Grafik). Das entspricht der Zeit, die alle Frankfurter aufbringen müssten, um ein Jahr lang ununterbrochen Computerspielern zuzuschauen. Folgerichtig beginnen sich die Internet-Konzerne für den E-Sport zu interessieren. So schnappte vor Kurzem der Online-Händler Amazon dem Suchmaschinenriesen Google Twitch.tv vor der Nase weg, die wichtigste Sendeplattform der Szene. Stolzer Kaufpreis: fast eine Milliarde Dollar.
„Wir sind die Zukunft des Entertainments", verkündet Alexander Müller selbstbewusst. Er ist als Managing Director so etwas wie der Sportchef von SK Gaming aus Köln, der einzige deutsche Clan, der es zu den LoL-Weltmeisterschaften nach Südkorea geschafft hat. Er ist seit 16 Jahren in der Branche aktiv und weiß, wovon er redet. In Asien und den USA sind Meisterschaften wie die jetzt in Südkorea längst Großereignisse. Aber auch in Europa locken Liveturniere auf der Kölner Spielemesse Gamescom oder eigene Veranstaltungen wie die Pariser All-Star Challenge im Mai die Massen. Viele Unternehmen nutzen das Umfeld, um für sich zu werben. Ob Intel, AOL, Acer, Samsung - die Trikots der Teams sind übersät mit den Namen großer Konzerne.
Profi-Gamer werden zu Idolen„Was die Zuschauerzahlen und unsere Reichweite betrifft, sind wir attraktiver als ein Zweitligaverein im Fußball", versichert Müller. Eine Mannschaft wie SK Gaming zählt 500.000 Follower bei Facebook und nochmal 70.000 bei Twitter - der 1. FC Köln hat nur wenig mehr. Der deutsche Computeranbieter Medion nutzt die Popularität des Clans bereits für sich. Der Hauslieferant von Aldi und seit einiger Zeit Teil des chinesischen IT-Riesen Lenovo ist Hauptsponsor von SK Gaming. Mit den Gesichtern der Spieler versucht Medion eine junge, männliche, technikaffine Zielgruppe zu erreichen. Beim Fußball kaufen die Fans die Schuhe ihrer Stars - im E-Sports ist das mit Tastatur und Maus nicht anders.
„Unsere Spieler verdienen mindestens 50.000 Dollar im Jahr. Je nachdem wie erfolgreich sie sind, sind es auch 100.000 oder mehr", erzählt Müller. Zudem zahle SK Gaming die Reisen, die Hardware, die Lebenshaltung während der drei bis sechs Jahre einer Profikarriere. In Südkorea verdienen manche Stars das Zehnfache. Zudem ist das Ansehen der Profi-Gamer im Ausland besser. Ein Grund für viele, in die USA, nach China oder Südkorea zu wechseln.
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