Tee-Trinker sind Genießer. Schon die Zubereitung wird zum Ritual. „Tee- und Teegenuss bedeutet auch Zeit zum Entspannen, die einen immer höheren Stellenwert in unserer schnelllebigen Gesellschaft bekommt", glaubt Jochen Spethmann, Vorsitzender des Deutschen Teeverbands. Ruhe, Genuß und Entspannung - das sind die Bilder, die der Verbraucher hierzulande mit Tee verbindet.
Doch am Anfang der Lieferkette sieht die Welt ganz anders aus. Die größten Teeproduzenten weltweit operieren in China, Kenia, Sri Lanka, Indonesien - und natürlich in Indien. Das Land steht für Tee wie kein anderes auf der Welt. Darjeeling und Assam gelten als Klassiker unter den Teesorten. Von Ruhe und Entspannung ist bei der Kultivierung und Ernte der Pflanze jedoch keine Spur.
Der Markt ist knallhart. Was zählt, ist der Gewinn. Dabei wird weder Rücksicht auf die Umwelt, noch auf die Feldarbeiter genommen. Das gilt auch für den Einsatz von Pestiziden.
Eine aktuelle Untersuchung der indischen Sektion von Greenpeace fand über ein Jahr verteilt in allen Stichproben Rückstände von wenigstens einer Chemikalie. In manchen Proben wiesen die Umweltschützer ganze Giftcocktails von zehn oder sogar zwanzig verschiedenen Pestiziden nach.
23 von 34 Pestizide ohne ZulassungInsgesamt konnten 34 Pestizide nachgewiesen werden, darunter sogar solche, die entweder gar nicht für die Teeproduktion zugelassen sind oder gänzlich verboten wurden. Immerhin 23 der nachgewiesenen Chemikalien sind überhaupt nicht für den indischen Teemarkt zugelassen. Noch besorgniserregender jedoch: Greenpeace fand die hochgiftigen Substanzen DDT und Monocrotophos. DDT gehört zum „Dreckigen Dutzend" und ist weltweit - mit Ausnahme der Malaria-Bekämpfung - verboten.
Auch Monocrotophos ist in vielen westlichen Ländern verboten. In Indien steht das Mittel im Verdacht, für den Tod von 23 Schulkindern verantwortlich zu sein, die durch Monocrotophos kontaminierte Nahrung zu sich genommen hatten. Damit nicht genug, findet sich in beinahe allen Proben eine weitere Pestizid-Klasse, die zuletzt stark in die Kritik geraten ist: Neonicotinoide.
Neonicotinoide bezeichnet eine Gruppe von Pestiziden die in starkem Zusammenhang mit dem weltweiten Bienensterben und der Gefährdung ganzer Ökosysteme gebracht wird. Überraschend ist vor allem der Befund, dass auch solche Neonicotinoide gefunden wurden, die überhaupt nicht für die Teeproduktion zugelassen sind. Darunter zwei bereits bekannte Unruhestifter: Gaucho und Poncho.
Schon früher wurden Pestizide im Tee gefundenHinter den wohlwollend klingenden Markennamen verbergen sich die Pestizide Imidacloprid und Clothianidin des deutschen Herstellers Bayer aus Leverkusen. In der EU ist der Einsatz der beiden Mittel derzeit stark eingeschränkt. Bis Ende 2015 sollen neue Forschungsergebnisse darüber entscheiden, ob die Pestizide wieder voll zugelassen werden oder nicht. Zusammen mit anderen Chemiekonzernen klagt Bayer gegen diese Regulierung derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof.
Der Deutsche Teeverband verweist unterdessen darauf, dass aufgrund wiederholter Befunde in der Vergangenheit bereits hohe Qualitätskontrollen erlassen wurden. Zudem seien die gemessenen Pestizid-Mengen im Tee anders zu beurteilen, als bei anderen Produkten. Schließlich konsumiert der Tee-Trinker lediglich einen Aufguß und nicht die pflanzlichen Teile selbst, wie etwa bei Gemüse, so der Verband.
Außerdem verweist der Teeverband auf regelmäßige Gespräche mit den Teeproduzenten in den Erzeugerländern. „Ziel ist dabei, die Erzeugerländer dahingehend zu beraten, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren", heißt es auf der Homepage des Verbands. Und weiter: „Intensive Gespräche und Kooperationen werden bereits seit den 70er-Jahren praktiziert und haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Tee heute weitgehend frei von Rückständen ist." Inwieweit die verunreinigten Tees aus Indien auch nach Deutschland exportiert wurden, ist nicht bekannt.
Tatsächlich ist es beinahe unmöglich, die Auswirkungen beim Endverbraucher zu untersuchen. Gerade die Vielzahl der verschiedenen Pestizide und somit mögliche Wechselwirkungen machen diese Untersuchung so schwierig. Fest steht aber: Gegen die Allmacht der Pestizide in der konventionellen Landwirtschaft scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Einmal in der Welt, sind die Mittel auf Jahrzehnte präsent und wirksam.
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