Es ist eine weitere Hiobsbotschaft für die Agrochemie, allen voran für den deutschen Hersteller Bayer: Das Pestizid Imidacloprid, das der Konzern 1985 entwickelte und bis heute an Landwirte weltweit verkauft, gefährdet heimische Singvögel.
Das zeigt eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der niederländischen Radboud-Universität Nijmegen und dem Sovon Center für Ornithologie, die heute im renommierten Fachmagazin Nature erschienen ist.
In den letzten Wochen hatten sich die Hinweise auf einen solchen Zusammenhang erhärtet. Eine Ende Juni veröffentlichte Studie hatte bereits darauf hingewiesen, dass nicht nur Bienen durch den Einsatz von Pestiziden gefährdet seien, sondern eine ganze Reihe anderer Lebewesen ( WiWo Green berichtete).
Die niederländischen Forscher legen jetzt nach: Insbesondere insektenfressende Singvögel wie Stare, Schwalben, Lerchen, Spatzen und Drosseln leiden unter den Pestiziden.
Giftige NahrungDie Wissenschaftler konnten nachweisen, dass der Rückgang der Vogelpopulation gerade dort signifikant höher ausfällt, wo umliegende Gewässer eine starke Konzentration des Pestizids aufweisen. Der Rückgang von Vogelpopulationen in Feld und Flur lässt sich schon seit vielen Jahren in Europa beobachten.
Die Erklärung: Insekten, die als Nahrung für viele Singvögel dienen, verbringen ihr Larvenstadium in diesen Gewässern und nehmen so das Gift auf. Unklar ist bisher allerdings, ob fehlende Nahrung oder Vergiftungen durch die Nahrung den Rückgang der Populationen hervorrufen. Einige Arten können das Gift auch direkt über behandeltes Saatgut aufnehmen.
Andere mögliche Erklärungen für den Rückgang der Vogelpopulationen schließen die Forscher aus. Die Intensivierung der Landwirtschaft sei zwar ebenfalls ein besorgniserregender Trend, jedoch sei der Effekt von Imidacloprid das einzige signifikante Ergebnis der Studie.
Höhere Sterberaten und mangelnde Fortpflanzungserfolge in einigen Regionen, seien erst durch die Markteinführung von Pestiziden, die auch als Neonicotinoide bekannt sind, Mitte der 1990er Jahre zu erklären, schreibt das Forscherteam.
„Wir haben sehr gründlich nach anderen Faktoren gesucht, die im Zusammenhang mit dem Rückgang der Singvogelpopulationen stehen könnten. Die Analyse unserer Daten zeigt jedoch, dass Imidacloprid mit Abstand die stärkste erklärende Variable für die verschiedenen Trends in der Region ist", sagt Hans de Kroon, Professor der Ökologie und Leiter der Studie.
„Neonicotinoide wurden immer als selektive Gifte beworben. Doch unsere Ergebnisse zeigen, dass sie ganze Ökosysteme beeinträchtigen", so de Kroon weiter.
Ein Bio-Pestizid als Ersatz?An der Universität von Newcastle wird unterdessen an einem Pflanzenschutzmittel geforscht, dass als „Bio-Pestizid" bezeichnet wird. Ziel ist es, die Schädlinge zu bekämpfen ohne dabei andere Lebewesen zu gefährden. Der Stoff namens Hv1/GNA basiert auf dem Gift der australischen Trichternetzspinne sowie Lektinen, die aus Schneeglöckchen gewonnen werden. Erste Tests scheinen vielversprechend. Eine abschließende Beurteilung steht jedoch noch aus.
Dass sich etwas ändern muss, ist dabei klar. Denn dass Pflanzenschutzmittel, die auf Neonicotinoiden basieren, die Artenvielfalt und ganze Ökosysteme gefährden, wird immer deutlicher. Die Konsequenz könnte eigentlich nur ein Verbot der in Verdacht stehenden Pestizide sein. Bisher aber wehren sich die Hersteller, zu denen auch BASF und Syngenta gehören, dagegen.
Die Alternative? „Wenn wir die Biodiversität der Bestäuber zerstören, wird es irrelevant sein, wie effektiv unsere Pestizide sind, weil wir dann keine Nutzpflanzen mehr haben, die es zu schützen gilt", sagt Geraldine Wright vom Honigbienen-Labor an der Newcastle Universität.