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Die Friseurbranche kämpft um ihren Wert

Foto: Manu M. on Unsplash

Im Radio läuft Popmusik, die fast übertönt wird vom lauten Surren eines Föhns. Vor einem großen Spiegel mit Goldrändern sitzt ein junger Mann, ein anderer trocknet ihm die eben geschnittenen Haare. Gleich daneben wartet weitere Kundschaft auf kleinen Hockern – der Laden ist voll. Er gehört Friseurmeisterin Mezgin Bulut, 22 Jahre alt. Erst vergangene Woche hat sie ihren Million Hair- & Beauty-Salon mit drei Gesellen und einer Auszubildenden eröffnet. Der Salon liegt in der Eschholzstraße in Freiburg – dort, wo sich vor wenigen Monaten noch eine Filiale der Kette Hairkiller befand.


Wie es Hairkiller geht und warum der Salon geschlossen wurde, darauf gibt die Firma mit Sitz in Luxemburg trotz mehrmaligen Nachfragens keine Antwort. Branchenbeobachter Ralf Osinski aber weiß: "Billigketten sind inzwischen am Ausbluten." Osinski ist Friseurunternehmensberater und lässt sich seit Jahrzehnten die Umsatzsteuerzahlen der Branche vom Statistischen Bundesamt liefern. Während der Umsatz im Friseurhandwerk deutschlandweit seit 2013 steigt, habe sich jener der größten Kettenanbieter von 2015 auf 2016 stark reduziert, sagt er. Die Discounter könnten die Mitarbeiter mit ihrer Ausbeutestrategie nicht mehr halten – erst recht, wenn der Markt dringend Fachkräfte sucht, sagt Osinski.


Dass die Arbeitsbedingungen bei den Discountern schlecht sind, kann Mezgin Bulut bestätigen. Sie hat ihre Ausbildung in einer Kette gemacht und blieb ein Jahr als Gesellin: "Man hatte schnell viel Verantwortung und keine Möglichkeit, zu lernen." Stattdessen hätten alle Angestellten unter Druck gestanden. "Wenn ein Kunde länger als zehn Minuten da war, wurde man schon komisch angeschaut."


Billigfriseure sind keine Bedrohung mehr


Matthias Moser, Landesgeschäftsführer vom Fachverband Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg, beschreibt das mit "Am Stuhl arbeiten". Auf den müssen Kunden schnell kommen und dann auch schnell wieder gehen. Kundenbindung und Beratung fallen weg. Eine Zeitlang florierte das Geschäft der Billigketten. Der Umsatz der deutschen Salons, ohnehin sehr klein, war gleichzeitig rückläufig. Die Friseure mussten sich das weniger werdende Geld auch noch aufteilen.


Heute seien Billigsalons keine Bedrohung mehr, sagt Brigitte Schneider. Sie ist seit mehr als 20 Jahren Friseurin. Die Meisterin arbeitet im Salon Giesen und Schneider in Freiburg. Hier hat sie ihre Ausbildung gemacht, seit 2004 gehört ihr das Geschäft, zusammen mit zwei anderen Teilhabern. Dank des guten Teams aus drei Gesellen und einer Auszubildenden gehe es dem Salon wirtschaftlich gut, so Schneider. Konkurrenz gebe es natürlich, immer abhängig von der Zielgruppe. Das eigentliche Problem sei aber der Fachkräftemangel.


Die Anzahl der Beschäftigten im Friseurhandwerk ist nämlich laut der Handwerksberichterstattung des Statistischen Bundesamts seit Jahren rückläufig. Das liegt auch daran, dass der Beruf noch immer schlecht bezahlt wird. In Baden-Württemberg verdient ein Auszubildender im dritten Lehrjahr 715 Euro. So steht es im Tarifvertrag, der im September ausgehandelt wurde. Ausgelernte Kräfte im ersten Berufsjahr verdienen 9,40 Euro statt des bisherigen Mindestlohns. Im Salon Giesen und Schneider gilt der neue Tarif. 715 Euro sind ein Plus von 37 Prozent, trotzdem ist das keine attraktive Entlohnung, weiß Brigitte Schneider. "Das ist sehr schade, weil es ein künstlerischer, schöner Beruf ist", findet sie. Aber massiv die Löhne anheben, das gehe nicht sofort. Denn dann müssten auch die Preise für den Haarschnitt steigen.


Ein Frauenhaarschnitt lohnt sich erst ab 50 Euro


"Wenn man dem Kunden die Preiserhöhung erklärt – dass ausgebildet wird, die Einkommen der Mitarbeiter steigen, sich engagiert wird in der Branche – dann akzeptieren die meisten das", sagt Matthias Moser. Er hält 50 Euro für einen einfachen Damen- und 25 Euro für einen Herrenhaarschnitt für realistisch. Darunter lohne es sich für einen Salon selten. Brigitte Schneider findet, bei den Kunden müsse ankommen, dass Haare schneiden einfach Geld kostet. In ihrem Salon bezahlen Frauen für Waschen, schneiden, föhnen 48, Herren 30 Euro.


Und noch ein ganz anderes Problem setzt der Branche zu: Ein-Personen-Unternehmen. 50 Prozent aller Friseure arbeiteten in Baden-Württemberg so, sagt Moser. "Für uns ist das ein Dorn im Auge, denn das zerstört unsere mittelständigen Betriebe." Ein-Mann-Salons könnten günstige Preise anbieten, da sie Geld für Ausbildung und Mitarbeiter sparten und bei geringem Umsatz keine Mehrwertsteuer auf ihre Preise aufschlagen müssten. So sieht es auch Friseurmeister Peter Hauth, dem ein Salon mit drei Gesellen in Weil am Rhein gehört. Dort und in Lörrach sei aufgrund des Überangebots jeder Salon Konkurrenz. Der Obermeister der Friseurinnung Lörrach glaubt, dass diese Läden vor allem Friseuren gehören, die nach der Gesellenprüfung nicht übernommen würden, weil sie nicht gut genug seien. Um trotzdem arbeiten zu können, absolvierten sie direkt die Meisterschule und machten sich anschließend selbstständig. "Als Alleinunternehmer", findet Moser, "kann man die ersten drei Jahre durchaus arbeiten. Aber danach sollte man sich dem Kampf stellen, Mitarbeiter einstellen und ausbilden."


Ralf Osinski bestätigt den Druck: Wie die Billigsalons früher würden nun diese Unternehmen am Umsatz nagen. Allerdings sieht er eine Trendwende. In der Umsatzsteuerstatistik habe er entdeckt, dass die Zahl sehr kleiner Salons nach jahrelangem Anstieg seit 2016 deutschlandweit rückläufig ist.

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