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Pegida-Dunstkreis soll „Großdemo" retten

Die von Enrico Stubbe beworbene „Großdemo“ in Berlin dürfte ein Flop werden; Photo: Th.S.

Nach Distanzierungen von AfD und Pegida-Chef Lutz Bachmann werden vermeintlich prominente rechte Redner für eine Veranstaltung am Samstag in Berlin angekündigt. Experten erwarten lediglich einige hundert Teilnehmer.


Der abtrünnige Bärgida-Aktivist und „pro-Deutschland"-Funktionär Enrico Stubbe wirbt seit Monaten für eine selbst ernannte „Großdemo" in Berlin unter dem Motto „Merkel muss weg". Zumindest virtuell erreichte die Veranstaltung mit knapp 10 000 Zusagen bei Facebook eine vorzeigbare Verbreitung innerhalb der rechten Szene, was Pegida-Chef Lutz Bachmann („zum Himmel stinkende", „ganz komische" und „dubiose" Veranstaltung) und die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry („Wir raten dringend davon ab, an dieser Veranstaltung teilzunehmen!") zu Distanzierungen bewog. Auch weil beide durch Trittbrettfahrer mögliche negative Auswirkungen für die rechte Partei bei den Landtagswahlen am Folgetag befürchteten. ( bnr.de berichtete)


Nun sollen vermeintlich prominente Redner aus dem Pegida-Spektrum die „Großdemo" noch retten. Stubbe und seine Splittergruppe „Wir für Deutschland" stellte sie in den vergangenen Tagen auf Facebook vor. Bei allen handelt es sich um Personen, die durch Pegida und seinen Ablegern mit ihren kruden Thesen überhaupt erst eine größere Zuhörerschaft gefunden haben, aber mittlerweile nach internen Zerwürfnissen ihre eigenen rechten Kleinstprojekte verfolgen.


Darunter befindet sich Ignatz Bearth, Vorsitzender der rechten Schweizer Minipartei „Direktdemokratische Partei Schweiz" (DPS). Er gilt als der Gründer des Schweizer Pegida-Ablegers, wurde dort aber nach öffentlichen Streitigkeiten mit Lutz Bachmann, unter anderem auch wegen seiner geplanten Teilnahme am Samstag rausgeworfen. Pegida-Schweiz distanziert sich mittlerweile ganz offiziell von dem rechten Aktivisten, gegen den die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen „Beleidigung eines fremden Staates" ermittelt, weil er Merkel und die Bundesregierung als „die wahren Nazis in Berlin" bezeichnet hatte.


Hamburger AfD-Funktionär als Redner

Als weitere Redner sind Frank Geppert und Pegida-Mitbegründerin Kathrin Oertel vorgesehen, die in der Vergangenheit mehrfach zusammen auftraten. Geppert geht regelmäßig als „Endgame" (Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas) auf die Straße, einer Abspaltung von der neurechten „Montagsmahnwache für den Frieden". Oertel gelang nach ihren Weggang von Pegida keine neue erfolgreiche Initiative, engagiert sich fortan aber ebenfalls in Kreisen der rechten, verschwörungstheoretischen Friedensbewegung. Auch Hendra Krenzow aus München entstammt diesem Spektrum und will am Samstag sprechen.

Für die AfD dürfte nach ihrer offiziellen Distanzierung von der Veranstaltung der Auftritt ihres Hamburger Funktionärs Phillip Christ unangenehm sein. Christ ist nach eigenen Angaben in der Hansestadt „Landeskoordinator Homosexuelle in der AfD" und ebenfalls als Redner angekündigt.


„Voll degenerierter Zustand der Bevölkerung"

Mittlerweile scheint auch den Rechten selbst zu dämmern, dass die „Großdemo" eher ein großer Flop wird. Redner Curd Schumacher vom „Bürgerbündnis Deutschland", der sich selbst „Der Hetzer" nennt und in der Szene durch Videos auf Facebook, in denen er gegen Flüchtlinge wettert, bekannt geworden war, sprach bereits am vergangenen Wochenende in Rathenow, wo ein „Hambacher Fest 2.0" mit einer ähnlichen Stoßrichtung wie Stubbes „Merkel muss weg"-Aufmarsch stattfand. Statt der erhofften tausenden Teilnehmer kamen lediglich rund fünfhundert Sympathisanten. Offensichtlich frustriert von dem geringen Zulauf, sprach Schumacher von einem „voll degenerierten Zustand der Bevölkerung, sowohl geistig-moralisch als auch körperlich und seelisch" und kritisierte die geringe Teilnahme aus Westdeutschland an entsprechenden Veranstaltungen.


Mit eindringlichen, fast hilflos wirkenden Appellen in Facebook-Videos versucht ein Teil der Redner doch noch die erhofften rechten Massen nach Berlin zu locken. Ob die vermeintliche Prominenz Stubbes Aufzug am Samstag eine größere Beteiligung beschert, bleibt dennoch fraglich. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) geht von Teilnehmerzahlen „im mittleren dreistelligen Bereich aus". Auch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und der Verfassungsschutz sprachen am Mittwoch im Abgeordnetenhaus von einer Teilnehmerzahl im „unteren dreistelligen Bereich". Mehrere Gegendemonstrationen wollen sich dem rechten Aufzug am Samstag entgegenstellen.

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