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Gender Pay Gap: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Das könnte die Lösung sein

Lohntransparenz

Warum ist Geld in Österreich gar so ein großes Tabu? Können Schweden wirklich nachschauen, wie viel ihr Nachbar verdient? Wie kann Einkommenstransparenz helfen, die Gehaltsschere zwischen Mann und Frau zu verkleinern? Das und mehr haben wir Mag.a Ines Stilling, Leiterin der Sektion für Frauenangelegenheiten im Bildungs- und Frauenministerium gefragt.

Österreich, wir haben ein Problem. Du redest nicht über das Geld. Das führt dazu, dass die Situation von Frauen hier um einiges schlimmer ist, als anderswo. Dieses Tabu verstärkt jegliche Ungerechtigkeit und in Wirklichkeit tragen es jene auf den Schultern, die ohnehin schon am wenigsten haben. Schlechtverdiener im Allgemeinen, Frauen im Speziellen.

Innerhalb der EU sind wir auf dem letzten Platz was die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen betrifft. Dafür, wie schlimm das ist, reden wir eigentlich viel zu selten darüber. Österreich bezahlt Frauen schlechter als jeder andere Staat in der EU. Das hat viele Gründe, die jenseits von Einkommenstransparenz liegen, wie die starke kulturelle Prägung der Mutterrolle, der langwährende Einfluss der katholischen Kirche, mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen und eine sehr anwesenheitsgetriebene Arbeitskultur. Unsere „Man spricht nicht über's Geld"-Kultur einmal aufzubrechen, ist aber eine wichtige Maßnahme, und deswegen haben wir mit Mag. Ines Stilling, Leiterin der Sektion Frauenangelegenheiten und Gleichstellung aus dem Bundesministerium für Bildung und Frauen über Einkommenstransparenz gesprochen.

Transparenz: Wissen, wie viel man wert ist

Seit Jänner 2014 sind Unternehmen mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen verpflichtet, einen Einkommensbericht legen. Die Daten müssen anonymisiert sein, das heißt sie dürfen keine Rückschlüsse auf individuelle Gehälter enthalten. Grundsätzlich muss aber das durchschnittliche Einkommen von Männern und Frauen in jeweiligen Verwendungsgruppen- und gruppenjahren dargestellt werden. Der Bericht muss dem Betriebsrat übergeben werden oder öffentlich zugänglich sein. Seit März 2011 muss in Stelleninseraten außerdem die Mindestbezahlung angegeben werden.

Interview: Woher kommt das Tabu in Österreich und wie können wir es aufbrechen?

Gibt es schon Erfahrungen, wie diese Maßnahmen angenommen wurden? Mag.a Ines Stilling: Ja, wir haben das evaluieren lassen. Grundsätzlich gibt es einen sehr hohen Grad der Umsetzung, sowohl bei den Gehaltsangaben als auch bei den Einkommensberichten. Gerade durch die Gehaltsangaben bei den Stellenausschreibungen kann man sich ein besseres Bild darüber machen, welche Einkommen grundsätzlich in einer Branche zu erzielen sind und wie Arbeit im Vergleich bewertet wird. Aber es gibt auch noch Probleme in der Umsetzung. Erstens wissen noch nicht alle Bürgerinnen und Bürger, dass es diese Instrumente gibt. Das bedarf auch einfach an Zeit. Außerdem ist nur die Untergrenze des Mindestkollektivs angegeben, und man weiß nicht in welcher Stufe man genau eingeordnet sein würde. Deswegen gibt es noch immer sehr hohe Unterschiede zwischen Wahrnehmung und Anwendung.

Von den Rückmeldungen der Unternehmen wissen wir aber, dass es Sinn macht, realistische Bandbreiten anzugeben, weil man dann auch die Personen findet, die man sucht. Wenn es eben eher ein geringeres Gehalt ist, dann melden sich auch nicht die Wunderwuzzis, die ganz hochkarätigen Potentiale, weil das überhaupt nicht mit ihren Erwartungen übereinstimmt. Je präziser man das Gehalt angibt, desto eher findet man auch die Person, die man sucht. Bei größeren Konzernen ist das schon angekommen, bei mittelständischen Betrieben braucht es da noch ein bisschen Sensibilisierung. Wie sieht das bei dein Einkommensberichten aus? Auch bei den Einkommensberichten gibt es große Bandbreiten, wie das im Moment umgesetzt wird. Manche machen das ganz rudimentär, andere schreiben ganze Telefonbücher an Auswertungen. Für die Betriebsräte ist es teils sehr schwierig, was sie dann konkret damit machen sollen. Das ist ein schwieriges Thema, denn es gibt eine Verschwiegenheitspflicht, die besagt, dass man innerbetrieblich nicht über den Einkommensbericht diskutieren darf. Das heißt, es kommt gar nicht so weit, dass überlegt wird, was man strukturell tun kann, damit sich etwas im Unternehmen verbessert.

Heißt das, ich darf nicht mit meinen KollegInnen darüber sprechen, was sie verdienen? Privat können Sie natürlich immer darüber reden, es kann sie ja keiner aufhalten, sich mit Ihren KollegInnen auszutauschen. Anders sieht es aus, wenn Sie jetzt hergehen und zu Ihrem Vorgesetzten sagen „Das und das steht im Einkommensbericht drinnen, ich find das ist ein Skandal, dass wir so wenig verdienen" und sie organisieren eine gruppensolidarische Reaktion. Wieso ist das so? Die Arbeitgeberseite war von vorn herein sehr unglücklich mit diesem Gesetz, daher gibt es diese Einschränkung, dass es nicht zu einem unternehmensinternen Prozess gemacht werden darf. Es sei denn die Geschäftsführung macht es zum Thema. Was muss konkret noch verbessert werden am Einkommenstransparenzgesetz? Mit dem Einkommenstransparenzgesetz ist es uns sehr gelungen, diese Aspekte erst mal zum Thema zu machen. Davor wurde mit diesen Dingen noch weniger offen umgegangen. Wo wir jetzt noch nachschärfen müssen, ist genauer festzulegen, was alles wie genau aufgeschlüsselt werden muss. Was vom Einkommen gehört zum Grundgehalt, was entfällt auf Zulagen, Überstunden, muss man das alles gesamt oder getrennt angeben? Einkommensunterschiede können auch im Detail entstehen, und es gibt noch wenig Vorgaben, was genau analysiert werden muss. Das sind gute Instrumente um die Kultur bei uns zu verändern, damit sich Leute mit den Gehaltsstrukturen im Unternehmen beschäftigen und damit in weiterer Folge auch gute Ergebnisse umgesetzt werden können.

Die Kultur, dass man nicht über das Geld spricht, ist bei uns stärker ausgeprägt als anderswo. Woher kommt dieses Tabu? Das kommt daher, dass bei uns generell eine größere Neidkultur herrscht. Im angloamerikanischen Raum, wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, ist man sehr stolz darauf, was man sich selbst geschaffen hat. In Mitteleuropa, das heißt vor allem in Deutschland und Österreich, soll keiner genau wissen, was man hat, ob man jetzt reich ist oder nicht, weil man Angst vor Neidern hat. Deswegen wissen wir auch über die Vermögensverteilung fast gar nichts, maximal auf Haushaltsniveau. Wir haben hier eine viel größere Spreizung zwischen unterster und oberster Einkommensschicht. Dieses Selbstverständnis, dass jeder etwas zum Unternehmenserfolg beiträgt, und dass manuelle Arbeit genauso einen Wert hat wie geistige Arbeit, das gibt es bei uns nicht. In Skandinavien hat man ein anderes Verständnis von Teamarbeit, und daher auch kleinere Hierarchieebenen. Das hat sich im letzten Jahrhundert noch einmal deutlich auseinander entwickelt: Die Relation zwischen dem, was die Geschäftsführung früher im Vergleich zum schlechtbezahltesten Arbeiter verdient hat, ist heute überproportional größer. Daher gibt es den Verdacht: Wenn ich offen über mein Geld red, dann gibt es Neid. Da spielt auch die skandalöse Berichterstattung, wenn es um Managerboni geht, eine Rolle. Ich find es nicht grundsätzlich sinnvoll, nicht das Einkommen von Führungskräften zu kritisieren, sondern warum am Unternehmenserfolg nicht alle MitarbeiterInnen entsprechend teilnehmen. Da geht es auch um die Ethik und Moral der Führungskräfte: Wenn sie Verantwortung übernehmen, dann können sie nicht kassieren, wenn der Erfolg nicht eintritt. Unternehmen sind nicht zur persönlichen Bereicherung da. Dann haben auch die ArbeitnehmerInnen nichts dagegen, wie viel die verdienen. Was läuft in Schweden so anders ab, dass es dort diese Neidkultur nicht gibt? In Schweden sind die Steuerdaten anonymisiert für jeden einsehbar. Theoretisch kann da jeder nachschauen wie viel sein Nachbar verdient. Laut Studien ist dort auch Steuerbetrug wesentlich reduzierter, weil eben ohnehin alles transparenter ist. Das ist auch ein Kontrollmechanismus. Und da ist auch nix passiert, es gab keinen gesellschaftlichen Aufstand und keinen Bürgerkrieg. Die Arbeitskultur ist dort auch eine andere, es ist okay wenn man die Arbeit auch mal für das Privatleben zurückstellt. Dann verlässt man eben mal um 16 Uhr das Büro um die Kinder abzuholen und macht am Abend Teleworking.

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