Macht eine Werbung mit Achselhaaren schon Feminismus aus? Eine Werbung, in der es um kurvige Figuren, "echte" Frauen oder das Weglassen von Photoshop geht? Diese Werbungen machen uns definitiv ein gutes Gefühl, lassen uns ein bisschen warm ums Herz werden. Weil gut gemachte Werbung eben Emotionen auslöst. "Wah, endlich ändert sich das Frauenbild in den Medien" denken wir uns. Die Kampagnen rund um "echte Frauen" erleben 2016 einen Höhepunkt. Nach 30 Jahren der aufpolierten Hochglanz-Fotografie und unrealistischer Frauenbilder haben wir irgendwie die Nase voll, uns etwas Unerreichbares verkaufen zu lassen. Wir wollen uns nicht mehr so hart anstrengen müssen, um wir selber zu sein. Das Wort "Feminismus" hat ein bisschen seine Schwere verloren, es wird leichtfertig herumgeworfen und Firmen schmücken sich damit, wie mit einer hübschen, pastellrosa Schleife. (Alles ist 2016, wie schon seit ein paar Jahren, pastellrosa).
H&M beispielsweise lancierte letzte Woche seine neue Herbst/Winter-Kampagne. Das deutsche Medienmagazin "meedia.de" pries die Kampagne groß als "Feminismus durch Achselhaare, Bauchfett und Muskeln" an. Fast dieselbe Wortwahl übernahm express.de und die Tiroler Tageszeitung. Aber der Zeitpunkt ist gekommen, jetzt wirklich aufzupassen, wofür wir das Wort "Feminismus" gebrauchen.
H&M verkaufte T-Shrits mit der Aufschrift "Feminist", NGOs wie die Clean Clothes Kampagne oder Greenpeace kritisieren nach wie vor, dass trotz erhöhter Sicherheitsstandards die Löhne in Fabriken in Bangladesch noch immer nicht existenzsichernd sind. Gaukelt uns der "Marktplatz Feminismus Veränderung vor"?"Marktplatz Feminismus" nennt die amerikansiche Popkultur- und Feminismus-Autorin Andi Zeisler diese Entwicklung. Was vor 10 Jahren Nachhaltigkeit und Greenwashing war, ist heute " Girl Power!". Ein Verkaufsargument eben. Weil viele Marken genau wissen, dass sich junge Frauen mit dem Bild einer streng schauenden Hausfrau, die grantig ist, weil die Wäsche beim Waschen nicht weiß genug wurde, nicht mehr identifizieren können. Dove war mit der "Kampagne für wahre Schönheit" eine der ersten Marken, heute ist es omnipräsent: Zalando, Monki, Always, Vichy, Ariel - you name it. Wir freuen uns über feministische Medienbilder und schenken kapitalistischen Unternehmen, die Männern gehören und nichts für Frauen am Arbeitsplatz, Vereinbarkeit oder gerechte Bezahlung tun, unser Geld.
Die Tatsache, dass Feminismus wieder in den Mainstream fand, merkt man ja nicht nur an den Werbebotschaften, aber hier wird die Ambivalenz zwischen Frauenrechten und Kapitalismus am ersichtlichsten. Es wurde modern, sich Feminist zu nennen: Nachdem Beyoncé 2013 vor einem riesigen "Feminist" Schriftzug getanzt hat und eine Rede der nigerianischen Frauenrechtlerin Chimamanda Ngozi Adichie in ihren Song "Flawless" inkludiert hat, versuchen sich unzählinge Künstlerinnen mit "Empowerment" zu schmücken. Von Taylor Swift die zwei Jahre lang bei jeder Gelegenheit über Frauensolidarität und ihre Girl Squad sprach und Jennifer Lopez, die in ihrem Video "Ain't your mama" Fraunrechte und Unabhängigkeit thematisierte.
Feminismus bedeutet, Gespräche zu führen, die unangenehm sindAber hier ist das Problem: Wir verlieren uns zu oft in Diskussionen darüber, ob dieser oder jener Promi eine "gute Feministin" sei, wir feiern Marken dafür, Achselhaare zu zeigen und wir vergessen über jene Seiten des Feminismus zu sprechen, die weniger sexy sind. Unter welchen Bedingungen werden beispielweise die Sportklamotten von Beyoncés Marke "Ivy Park" produziert? Wie sieht es mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der Näherinnen aus, die, die H&M-Shirts mit der Aufschrift "Feminist" produziert haben? Durch unsere T-Shirts, auf denen "Girl Gang" steht, haben wir uns noch keine Sekunde für die Lebensbedingungen der alleinerziehenden Mütter in Österreich eingesetzt, die unter der Armutsgrenze leben. Oder eine Pensionsreform angetrieben, die Teilzeitarbeit und Kinderbetreuung nicht so benachteiligt, dass ein Großteil der Menschen, die in Altersarmut leben, Frauen sind. Wir haben nicht der Frau geholfen, die auf der Suche nach einem besseren Leben nach Österreich kam, und unversichert, unterbezahlt und ohne langfristige Perspektive unser Haus putzt und unsere Eltern pflegt.
Also dürfen wir kommerziellen Feminismus jetzt mögen?Aber schlussendlich ist die Frage nicht, ob Unternehmen, die mit Frauenrechten Werbung machen, gut oder schlecht sind. Ein wenig heuchlerisch ist es auf jeden Fall. Aber eines können wir ihnen nicht aberkennen: Medienbilder prägen unser Denken. Sie prägen, wie wir glauben, dass Frauen auszusehen haben. Ob wir über Menstruation und Masturbation offen sprechen, oder nicht. Seit 5 Jahrzehnten kritisieren Feministinnen sexistische Werbung. Wir dürfen nur die Motivation hinter diesen Kampagnen nicht misinterpretieren: Es ist noch immer der Kapitalismus und Menschen wollen noch immer Geld verdienen. Aber die Tatsache, dass sie glauben, mit Frauenrechten besser anzukommen, als mit alten Stereotypen spricht für einen positiven gesellschaftlichen Wandel. Pragmatisch gesehen, kann diese Kommerzialisierung von Feminismus es uns ein bisschen leichter machen, Anhänger zu finden. Aber wir dürfen ob dieser Abflachung der Diskussion nicht vergessen, auch die schwierigen Gespräche zu führen. Wir dürfen uns nicht durch schöne Bilder befriedigen lassen, wenn wir es darum geht, Budgets in die Hände von Frauen zu delegieren, Frauengesundheit zum Thema zu machen, und für jene Frauen einzustehen, die nicht weiß, gut ausgebildet oder priviligiert sind. Männer werden Macht abgeben müssen und das wird uns noch viel Schweiß kosten. Vor dieser Arbeit dürfen wir keine Angst haben. Aber die können wir dann auch #likeagirl, #forgettingflawless und mit "Feminist" oder "Girl Gang" T-Shirt machen. Das ist schon okay.
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