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torial Blog | Polizeikontrolle: Wann darf man die Polizei filmen?

Mein Panorama in der Bundespolizeiinspektion Köln

Fast jeder trägt heute eine Kamera mit sich herum. Das führt unter anderem zur Dauerdokumentation von Polizeiarbeit. Aber was ist in diesem Zusammenhang eigentlich erlaubt?


Im Januar letzten Jahres durchquerte ich auf einer Dienstreise den Kölner Hauptbahnhof. Ich sah 30 Meter hinter mir im Hauptgang drei Bundespolizisten. Einer von ihnen zeigte in meine Richtung. Als ich weiter lief, war ich plötzlich von den dreien umringt. Einer fragte mich, ob sich in meiner Tasche ein Laptop befände. 

Da ich in meinem Leben bereits mehrmals Opfer von Racial Profiling, also von rassistisch motivierten Personenkontrollen wurde, fragte ich die Polizisten, ob ich die Kontrolle mit der Kamera aufnehmen dürfe. Der Wortführer der drei Bundespolizisten erlaubte es mir. Danach sagte der Polizist mit Blick auf meine Laptoptasche: „Wir würden gerne gucken, ob da nen Laptop drin ist". Ich bestätigte dem Polizisten, dass sich in meiner Laptoptasche ein Laptop befand. Dann wurde ich aufgefordert mit zur Wache zu kommen. Es sei ein Laptop-Diebstahl gemeldet worden und wegen dunkler Kleidung passe ich auf die Täterbeschreibung. Und schon war ich auf dem Weg zur Wache im Kölner Hauptbahnhof, begleitet von drei Ordnungshütern.


Kurz bevor wir dann die Wache betraten, schubste mich einer der Polizisten von hinten mit den Händen in einer Weise, die als Tätlichkeit aufzufassen war. Im Vorraum der Wache wartete der Bestohlene. Er bestätigte den drei Polizisten ohne zu Zögern, dass ich nicht der Dieb seines Laptops sei. Ich dachte, nun sei ich erlöst, doch da fing der Spaß erst richtig an. Ein Polizist sagte: „Kommse mal grad rein. Ich halte ihre Personalien fest. Wenn Sie das im Netz veröffentlichen wollen, habe ich ja auch gewisse Rechte". Auf meine Nachfrage wurde mir weiter erklärt: „Weil wenn Sie das ins Netz stellen, machen Sie sich strafbar. Kann bis zu zehntausend Euro kosten." Obwohl ich wiederholt darauf hinwies, dass man mir das Filmen erlaubt hatte, wurde ich von dem Polizisten in die Wache geschoben. Mir wurde erklärt, dass die zuvor erteilte Erlaubnis sich nicht auf Filmen, sondern nur auf Fotos bezogen habe.


Drinnen in der Wache nahm der Polizist meine Personalien auf. Dabei wurde ich noch zweimal persönlich von dem Beamten beleidigt, der zuvor schon tätlich geworden war. Nachdem meine Personalien überprüft waren, durfte ich endlich meinen Weg fortsetzen. Eine Auskunft zu den Dienstnummern der drei Polizisten wurde mir verweigert, obwohl die Polizei hierzu rechtlich verpflichtet ist. Stattdessen wurde mir, als ich nach den Dienstnummern fragte, ein Platzverweis erteilt. Nach dem Vorfall habe ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und Strafanzeige gegen den Polizisten erstattet, der mich beleidigt und geschubst hat. Zwar ging die Sache bis zur Staatsanwaltschaft, doch beides blieb ohne greifbares Ergebnis. Neben dem zumindest fragwürdigen Verhalten der Polizeibeamten in dieser Situation, stellten sich für mich allerhand rechtliche Fragen. Wir haben dazu vier Experten befragt:


Darf man, wenn man von der Polizei angehalten wird, Fotos machen?

Markus Kompa, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Blogger aus Münster: „Das Anfertigen von Fotos ist im öffentlichen Raum grundsätzlich zulässig ( außer seit Neuestem in Bonn). Auf Bahnhöfen beansprucht die Deutsche Bahn allerdings Hausrecht, was auch das Anfertigen von Fotos betrifft. Es gibt einzelne Entscheidungen in Baden-Württemberg, bei denen Gerichte Polizisten erlaubt haben, unerwünschte Fotos von sich im Wege der Beschlagnahmung der Kamera vor Ort zu löschen. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen hält das Anfertigen für zumutbar, die Interessen der Beamten könnten vor Ort auch durch eine Verständigung über den Gebrauch der Bilder oder eben im Verwaltungs- oder Zivilrechtsweg gewahrt werden. Die Kölner Bahnhofspolizei wollte auch schon mal grob rechtsunverständig Marken vor Fotografie schützen ..."


Darf man, wenn man von der Polizei angehalten wird, ein Video mit Tonspur aufnehmen?

Benno Pöppelmann, Justiziar des Deutschen Journalisten-Verbandes: „Das Fotografieren oder Filmen (Bewegtbild) ist erlaubt bis zur Grenze der Behinderung der Polizeiarbeit bzw. der Strafbarkeit (§ 201a Strafgesetzbuch). Die Veröffentlichung solcher Bilder unterliegt diesen Strafbarkeitsgrenzen bzw. dem Recht am eigenen Bild nach §§ 22, 23 Kunst-Urhebergesetz".


Rechtsanwalt Florian Hensel: „Ton ist problematisch: hier braucht man eine echte Öffentlichkeit der Situation und Äußerung, sonst ist man schnell bei einer Straftat, nämlich der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Strafgesetzbuch)."


Markus Kompa: „Nimmt ein Polizist eine ihm erkennbare Tonaufnahme widerspruchslos hin, wird dies als stillschweigende Einwilligungserklärung gewertet."


Ändert sich etwas, wenn man Personen oder Stimmen unkenntlich macht? 

Markus Kompa: „Das ist keine Frage der Anfertigung, sondern der Veröffentlichung und hilft daher nicht vor Ort. Die Gesichter oder persönliche Kennzeichen von Polizisten sind unkenntlich zu machen, sofern keine Demo o.ä. fotografiert wurde, bei der die Polizisten juristisch als Teilnehmer gelten. Wenn die Polizisten eingewilligt haben, muss nichts gepixelt werden. Die Beweislast liegt beim Veröffentlichenden. Das Unkenntlichmachen der Stimme hilft nicht, da dies die Rechtswidrigkeit der Aufnahme nach § 201 Strafgesetzbuch nicht beseitigt. Bei heimlichen Filmaufnahmen wird daher der Text nachgesprochen - natürlich ‚aus dem Gedächtnis', nicht etwa von einer heimlichen Tonaufnahme ..."


Benno Pöppelmann: „Nur dann, wenn eine Identifizierung der Person ausgeschlossen ist."


Darf man die Bilder und Videos, die man von einer Polizeikontrolle gemacht hat, ins Internet stellen? 

Markus Kompa: „In den Fällen von §§ 22, 23 Kunst-Urhebergesetz ist dies ungepixelt möglich, allerdings sehen Gerichte bei Prangerwirkung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt."


Benno Pöppelmann: „Polizeibeamte haben, wie andere auch, dass Recht am eigenen Bild. Zeitgeschichtliche Situationsaufnahmen können zwar grundsätzlich verwendet werden, nicht aber Portraitfotos."


Darf die Polizei die Personalien von einer Person aufnehmen, die Polizisten fotografiert bzw. gefilmt hat? 

Rechtsanwalt Sven Adam, Experte für Straf- sowie Polizei- und Ordnungsrecht aus Göttingen: „Das kommt auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an. Die offene Anfertigung von Foto- oder Filmaufnahmen ist jedenfalls keine Straftat zu Lasten der Beamten, so dass die Personalien des Fotografen nicht schon nach der Strafprozessordnung erhoben werden dürfen. Gefahrenabwehrrechtlich ist in der Regel einzig maßgeblich, ob die Beamten mit einem Verstoß gegen § 22 Kunst-Urhebergesetz rechnen müssen - also gegebenenfalls der Verbreitung der Bilder zum Beispiel im Internet. Wenn eine Privatperson Foto- oder Filmaufnahmen von Polizeibeamten anfertigt, kann hieraus ohne weitere Anhaltspunkte aber zunächst nicht geschlossen werden, dass die Bilder später tatsächlich auch verbreitet werden ( vgl. Verwaltungsgericht Meiningen, Urteil vom 13.03.2012, Az.: 2 K 373/11 Me). Es müssten also weitere Anhaltspunkte hinzukommen, die darauf schließen lassen, dass die Foto- oder Filmaufnahmen verbreitet werden sollen."


Markus Kompa: „Die Frage nach Personalien ist immer erlaubt. Eine Verbringung zur Wache zur Feststellung der Personalien (Sistierung) ist ohne weitere Begründung nur möglich, wenn man keinen Ausweis dabei hat. Bei Verdacht auf Straftat darf ermittelt werden, etwa bei § 201a Strafgesetzbuch (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, Anm. d. Red.). Die Behauptung einer zu erwartenden ‚Straftat' ist Unsinn. Drohen tut nur ein Eingriff in § 22 Kunst-Urhebergesetz. Die Strafvorschrift des § 33 Kunst-Urhebergesetz ist historisch bedingt und wird nicht mehr angewandt. Das ist damit eine zivilrechtliche Angelegenheit."


Benno Pöppelmann: „Die Polizei kann Identitätsfeststellungen auf der Grundlage des Polizeirechts vornehmen, z.B. § 12 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen."


Ist die Rechtslage eines Journalisten in diesem Kontext eine andere, als die eines „Normalbürgers"? 

Markus Kompa: „Nein. Wenn jemand in seiner konkreten journalistischen Arbeit behindert wird, mag dies anders sein. Die bloße Zugehörigkeit zum Journalistenberuf spielt ansonsten in dem Fall keine Rolle."


Benno Pöppelmann: „Sie ist grundsätzlich anders, wenn Journalisten sich auf überragende öffentliche Interessen berufen können, beziehungsweise darauf, dass es um einen zeitgeschichtlichen Vorgang oder ähnliches geht. In diesen Fällen ist die Verbreitung, also die Veröffentlichung, erlaubt, wenn nicht berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegenstehen. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn das Foto oder die Videosequenz keinen Bezug zum Geschehen hat."

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