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Die Nadel im Heuhaufen

Eine von ganz wenigen: Im März steht fest, dass Martina Lanto als Stammzellenspenderin in Frage kommt. Vier Tage vor der Spende muss sich sich zweimal am Tag ein Medikament spritzen. Es erhöht die Stammzellenkonzentration im Blut. © Foto: MOZ/Jörn Tornow

Es sind rund 80 000 Menschen in der Deutschen Stammzellenspenderdatei (DSSD) Ost registriert. Die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand von ihnen im Laufe seines Lebens Stammzellen spendet, liegt bei etwa einem Prozent. Martina Lanto aus Mittweide ist eine von ihnen.

An die Worte am Telefon erinnert sich Martina Lanto noch ganz genau: "Sie sind die Nadel im Heuhaufen", hat ihr Undine Schulz, Leiterin der DSSD Ost mitgeteilt. Für die 53-Jährige eine Riesenüberraschung - und für einen 59-jährigen Mann in den USA ein Riesenglücksfall. In der gebürtigen Trebatscherin hat er einen genetischen Zwilling gefunden, einen, der ihm womöglich das Leben retten wird.

Martina Lanto hat sich 2014 bei einer Blutspende beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Beeskow als Stammzellenspenderin registrieren lassen - man spricht von typisieren. Ein Jahr zuvor erkrankte ihr Mann an CLL, Chronisch Lymphatischer Leukämie. Die Diagnose löste etwas in ihr aus. "Wenn ich ihm nicht helfen kann, dann kann ich vielleicht jemand anderem helfen."

Nach der Typisierung passiert viele Jahre nichts. Im Februar ändert sich das plötzlich. Ein Umschlag mit der Aufschrift "dringend" trudelt bei ihr ein. Darin enthalten: die Einladung zu einem Bestätigungstest. Bei ihrer Hausärztin in Trebatsch wird ihr Blut entnommen - einige Pröbchen werden mit dem Kurier direkt zum Flughafen gebracht, wieder andere gehen an die DSSD Ost. Danach heißt es warten. Gut drei Wochen später hört sie die magischen Worte am Telefon.

Für eine Transplantation müssen mindestens acht von zehn Gewebemerkmalen übereinstimmen. Im Fall der 53-Jährigen sind es alle zehn. "Sie ist der Jackpot", sagt Grit Schulz, Koordinatorin beim DSSD Ost für Berlin und Brandenburg.

Im März wird ein Termin zu einer Voruntersuchung in der Uniklinik in Dresden vereinbart. Der Spenderin wird erneut Blut abgenommen, zudem ein EKG erstellt und per Ultraschall die inneren Bauchorgane abgesucht. Weil beim Ultraschall Schatten auffallen, wird einige Tage später eine zusätzliche Untersuchung durchgeführt. "In mir ist Angst aufgekommen", beschreibt Martina Lanto die Tage dazwischen. Angst, dass alles umsonst gewesen sein könnte und sie dem Empfänger doch nicht helfen kann. Angst aber auch um die eigene Gesundheit. Die "Spezialuntersuchung", wie sie sie nennt ergibt, dass die Schatten harmlos sind.

Stammzellen werden heute zumeist aus dem Blut und nicht mehr aus dem Knochenmark entnommen. So ist es auch bei der Mittweiderin der Fall. Vier Tage vor der Spende beginnt sie sich morgens und abends ein Medikament mit dem Botenstoff G-CSF zu spritzen. Er bewirkt, dass Stammzellen vom Knochenmark in das periphere Blut übertreten. Mögliche Nebenwirkungen sind grippeähnliche Symptome wie Glieder- und Kopfschmerzen. Bei der 53-Jährigen ist das nicht der Fall. Am Montag hat die Stammzellenspende in der Uniklinik in Dresden stattgefunden. Rund fünf Stunden lang wurde das Blut von Martina Lanto aus einer Armvene in einen Zellseparator und nicht benötigte Blutbestandteile in eine andere Armvene wieder zurückgeleitet. "Wie bei einer Blutspende, nur mit zwei Nadeln", erklärt sie. Ob sie einen Moment gezögert hat, als der Brief kam? Sie schüttelt den Kopf. "Mir war gleich klar, dass ich es mache, wenn die Voruntersuchung positiv verläuft und auch die Ärzte keine Einwände haben."

Für die nächsten zwei Jahre ist Martina Lanto nun für den Patienten, einen 59-jährigen Mann in den USA, als Spenderin reserviert. Nach Ablauf dieser Zeit ist eine Kontaktaufnahme zum genetischen Zwilling möglich. Schon jetzt hat die selbstständige Gastwirtin anonym einen Brief übermittelt. "Der soll ihm helfen gesund zu werden", sagt sie.

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