Unabhängigkeit oder Verbleib im Königreich: Die Schotten haben am Donnerstag entschieden, ob sie sich nach 307 Jahren von Großbritannien abspalten. 4,2 Millionen Bürger konnten ihre Stimme abgeben. 97 Prozent ließen sich registrieren.
Ein weißer, dichter Nebel verwandelte die Hauptstadt Edinburgh in eine mystische Märchenstadt. Ein Märchen war es auch, was sich manche vom Ergebnis der Wahl erwarteten. Ein unabhängiges Schottland, frei von der Regierung in Westminster. Sie stimmten am Donnerstag mit Ja.
Dieses YES ist es, was mir, der B.Z.-Reporterin, seit Wochen ins Auge stach. In vielen Fenstern der verwitterten Bauten der Altstadt klebten die Schilder, ein weißes YES auf hellblauem Hintergrund. Es sind die Farben der schottischen Nationalflagge; dem weißen Andreaskreuz auf hellblauem Grund.
Aber viele ließen sich auch nicht vom patriotischen Traum mitreißen. An Info-Ständen in der Innenstadt und auf dem Campus-Gelände der Uni standen diejenigen, denen der Zusammenhalt mit England wichtiger war. Auch das wirtschaftliche Risiko eines unabhängigen Schottlands schätzten sie als zu groß ein, wurde mir an solch einem Stand erklärt. Call Center Manager Jason Robb (42) beschrieb, warum er Angst hat, dass die Union auseinander bricht: "Meine Großmutter lebt in Wales, mein Bruder ist mit einer Londonerin verheiratet und ich bin in Nordirland geboren". Robb ist sich sicher: "Wenn Schottland unabhängig wird, wandere ich aus."
Ewan Gillespie (27) ist ein "richtiger Schotte", wie er mir erzählte. Der Englischlehrer verliebte sich vor drei Jahren in eine Spanierin, die in Edinburgh studierte. Die beiden haben vor, zusammen in Barcelona eine Familie zu gründen aber jetzt ist er nervös: "Die britische Regierung der letzten Jahre hat sich so EU-kritisch positioniert, ich will die Freiheit haben in anderen EU-Ländern zu leben und zu arbeiten."