Wie müssen Frauen denn nun sein, damit sie im Job Erfolg haben? Selbstbewusst jedenfalls nicht, das zeigt eine Studie. Chefs erwarten ganz andere Charakterzüge - solche, die als typisch weiblich gelten.
„Ihr wollt Geschäftsleute sein, dann verhaltet euch auch wie Geschäftsleute", sagt die Mentorin zu den Frauen, die gemerkt haben, dass sie einen Investor benötigen. „Doch die Unternehmensgründung steht womöglich auf der Kippe. Denn ihr Freund hat sich plötzlich getrennt", sagt der Sprecher. Zu sehen: Eine weinende Geschäftsführerin. „Ich sehe, du bist Mutter. Ich halte Kind und Karriere nicht immer für vereinbar", erklärt Jette Joop und verabschiedet die ernüchterte Frau mit den Worten: „Grüß deine Kinder."
Die TV-Show „Jung, weiblich, Boss" von RTL II mit Jette Job hätte einen feministischen Beitrag zum Thema Frauen und Karriere leisten können. Indem sie Teilnehmerin und Zuschauerin ermutigt. Indem sie plausible Lösungen für die Probleme von Gründerinnen aufzeigt. Und indem sie eben nicht nur auf Probleme eingeht, die als typisch für Frauen gelten - es vermutlich aber gar nicht sind. Wie viele Männer scheitern wohl ebenfalls am Thema Unternehmensfinanzierung?
An der Show wird erkennbar, mit wie vielen Vorurteilen Frauen in der Arbeitswelt zu kämpfen haben. Besonders weit verbreitet ist der Glaube, ein zu weiblicher, weicher Charakter wirke sich negativ auf den Erfolg im Job aus - der so genannte Confidence Gap.
Einer Untersuchung von Laura Guillén zufolge, Professorin für Organisationsverhalten an der European School of Management and Technology Berlin, ist das aber ein Mythos. Anstelle von Selbstbewusstsein seien eher Warmherzigkeit und Fürsorge mit Erfolg im Job verbunden. Gemeinsam mit Margarita May von der IE Business School und Natalia Karelaia von der Business School Insead untersuchte Guillén leistungsstarke Mitarbeiter in einem von Männern dominierten Technologieunternehmen.
„Obwohl Männer, die als selbstbewusst angesehen wurden, eher vorankamen, zeigten unsere Untersuchungen, dass dies bei Frauen nicht der Fall war. Sie wurden stattdessen nach ihrer Warmherzigkeit beurteilt oder wie fürsorglich und sozial sie schienen", sagt Guillén.
Doch das Ergebnis der Studie ist eigentlich keine gute Nachricht, wie Guillén verdeutlicht: „Um voranzukommen, müssen sich Frauen um andere kümmern, während sich ihre männlichen Kollegen auf ihre eigenen Ziele konzentrieren." Sie müssen das gängige Vorurteil, dass Frauen unsicher, weich und warmherzig sind, also erfüllen. Das scheine der zentrale Leistungsindikator zu sein, gegen den erfolgreiche Frauen Zugang, Macht und Einfluss erhalten. „Um dem entgegenzuwirken, sollten Personalabteilungen sicherstellen, dass Frauen und Männer im Einstellungsprozess und bei der Auswahl für Beförderungen nach den gleichen Kriterien bewertet werden", rät die Wissenschaftlerin. Leistungsbeurteilungen über weibliche Mitarbeiter wiesen nämlich oft fast doppelt so viele Worte über die Wärme auf wie die Beurteilungstexte über männliche Kollegen.
Das Ergebnis der Studie verdeutlicht zwar, dass einige Klischees nicht der Wahrheit entsprechen müssen: Ein „weicher" Charakter etwa ist kein Hindernis im Job. Die Studie ist jedoch auch ein Beleg dafür, dass es immer noch die Vorstellung gibt, dass sich Frauen per se warmherzig, sozial und unsicher verhalten. Und dieser Vorstellung auch im Job gerecht werden müssen - sonst haben sie keinen beruflichen Erfolg.
In jedem Fall wird deutlich, dass Stereotype und Vorurteile unser Leben beeinflussen. Wenn TV-Shows und andere Medien sie immer wieder aufgreifen, ist das problematisch. Denn je häufiger die Klischees bestärkt scheinen - weil die Frauen in „Jung, weiblich, Boss" in Branchen wie Mode oder Ernährung arbeiten, weil sie von Finanzen scheinbar keine Ahnung haben, weil ihre Kinder als kaum überwindbare Hürde dargestellt werden - desto stärker verankern sich die Klischees in unserem Gehirn.
Studien zufolge verhalten sich Menschen unbewusst stereotypgerecht. Mädchen, die vor einer Matheaufgabe darüber nachdenken, dass sie weiblich sind, schnitten in einer Untersuchung zum Beispiel schlechter ab. Stereotype sind also ein endloser Teufelskreis. Doch es besteht Hoffnung, dass unsere Gesellschaft aus diesem allmählich ausbricht. Denn nach katastrophalen Zuschauerzahlen hat RTL II „Jung, weiblich, Boss" nun abgesetzt.
Original