Deutscher Meister, Pokalsieger, WM-Dritter, Vize-Europameister, Olympia-Teilnehmer, siebenfacher All-Star, wertvollster und beliebtester Spieler der Beko BBL, Träger der silbernen Ehrennadel für die Verdienste im deutschen Sport und Namensgeber für einen Award: Mit Pascal Roller nimmt einer der ganz großen Sportler Abschied von den Parkettböden dieser Basketball-Welt.
Es ist ein ganz besonderer Händedruck, der dem Hausmeister-Team der Frankfurter Ballsporthalle zu Teil wird: Gerade verlässt Pascal Roller samt Familie und Mitspieler Marius Nolte die Heimspielstätte der Deutsche Bank Skyliners. Wie es sich für einen echten Sportsmann gehört, sagt man nicht nur einfach „Servus", sondern bedankt sich bei allen, die zu einer bemerkenswerten Basketballkarriere beigetragen haben. Dazu gehören natürlich auch die Angestellten der Frankfurter Sporthalle. „Wenn man so lange an einem Ort spielt, kennt man sich eben", denkt der frisch gebackene Basketballrentner an den Moment zurück, als er, zum letzten Mal die Sporttasche geschultert, sein Wohnzimmer verlassen hat, in dem er für die Frankfurter Bundesliga-Equipe Pässe verteilte und Körbe warf wie kaum einer vor ihm.
Sicher schwingen bei den letzten Schritten Richtung Auto nicht nur Gedanken rund um sein bewegendes Karriereende durch den Kopf, sondern die frische Niederlage im entscheidenden fünften Playoff-Halbfinalspiel gegen die Albatrosse aus Berlin sitzt tief. „Ich werde dieses letzte Spiel immer in Erinnerung behalten. Es war ein bewegendes Gefühl, auch wenn wir ausgeschieden sind", reflektiert der kreative Point Guard. Minutenlang genießt Roller das Bad in der Menge, sein Abschied sorgt für Gänsehautatmosphäre. Neben den treuen Frankfurter Zuschauern klatschen auch die Gästefans aus der Hauptstadt. Die Mannschaft um Sven Schultze, Heiko Schaffartzik & Co. nimmt respektvoll Abstand von ausgelassenen Freudenfeiern über den Einzug ins Finale um die Deutsche Meisterschaft.
Pascal Roller dreht mehrere Ehrenrunden, nimmt sich viel Zeit für Autogrammwünsche und Fotos und tut das, was später die ganze Deutsche Basketballwelt vor ihm tun wird: Er verneigt sich. Es ist eine ehrliche Geste vor dem Sport, der Frankfurter Region, seinem persönlichen und beruflichen Umfeld, seiner Familie, den Zuschauern, seinen Teamkollegen, seinem Trainer und irgendwie auch vor sich selbst. „Es fühlt sich richtig und gut an, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Es wird schwer, diese Atmosphäre zu toppen", blickt Roller zurück - sein Verein hat ihm für den Sommer ein Abschiedsspiel angeboten, das der gebürtige Heidelberger dankend abgelehnt hat. Aktuell genießt er zahlreiche Glück- und Zukunftswünsche sowie die Gelegenheit, auf eine ereignisreiche Karriere zurück zu blicken und etwas Abstand, vom Ligaalltag zu gewinnen.
„Ich erinnere mich an sehr viele Momente als Sportler, aber auch abseits des Basketballfeldes, die mir immer im Gedächtnis bleiben werden." Wir schreiben das Jahr 2004, als ein völlig erschöpfter Frankfurter Kapitän die Meistertafel für die damaligen Opel Skyliners mit einem lauten Jubelschrei in die Höhe reckt und sich zudem den Titel des wertvollsten Spielers sichert. „Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich bei den Fernsehinterviews im Anschluss gestottert habe, aber genau wusste, da stehen jetzt unsere Namen und das kann uns keiner mehr nehmen."
(Ab)nehmen kann einem auch niemand bittere Niederlagen. An dieser Stelle denken viele sicher an die Finalserie 2010 zurück, als Roller & Co. gegen die Brose Baskets Bamberg knapp scheiterten und der Frankfurter Kapitän nach fulminantem Spiel zum tragischen Helden avancierte.
Doch für den 1,80 Meter großen Guard sollte Sizilien das persönliche Waterloo werden: Mit einem starken U22-Team verlor Deutschland unglücklich in der Zwischenrunde - ein bleibendes Erlebnis für den damaligen Leistungsträger, der nicht wieder ins Turnier zurück fand, aber dennoch seine Kämpfernatur entdeckte und für künftige Aufgaben den richtigen Ansporn im Moment der Enttäuschung fand.
„Basketball ist ein toller Sport und bietet so viel abseits des Parketts", schwärmt Roller, „es ist spannend, wie sich ein Team findet, welche Rolle Fairness und Respekt spielen, wie man lernt, sich bewusst und gesund zu ernähren, mit dem eigenen Körper umzugehen oder Erfolge zusammen feiert."
Gelernt hat Pascal Roller in seiner Profi-Laufbahn einiges, auch, dass die eigene Gesundheit eine große Rolle spielt. Das Knie schmerzt, ist aber nicht der einzige Grund für den Abschied aus der Welt des orangenen Balles. „Es sind viele Faktoren zusammen gekommen. Die aktuelle Möglichkeit und natürlich das Alter spielen eine Rolle, bisher habe ich meine Entscheidung aber nicht bereut. Es ist eine gute Entscheidung, jetzt meinen Hut zu nehmen. "
Wer diesen Hut, vor allem in der Frankfurter Region aufnimmt, vermag Roller nicht zu entscheiden, sieht „seinen Verein" aber auf dem richtigen Weg: „Die Skyliners sind in Hessen stark verankert und haben viele Projekte auf den Weg gebracht, die den Basketballsport insgesamt nach vorne bringen. Das Niveau ist sehr hoch und wirkt sich auf die Basis aus. Aber es gibt immer Luft nach oben, zum Beispiel für Sportinternate oder ähnliches."
Roller wird dem Club auch nach seiner Zeit als Kapitän erhalten bleiben und einen Posten im Management übernehmen, allerdings projektbezogen in freier Mitarbeit. Zusätzlich winkt die Arbeit in einer Sport-Marketing-Agentur. Ein Comeback als Spieler, wie zuletzt in Düsseldorfer Kreisen gehandelt, wird es nicht geben. Erste Angebote als Team-Manager in der Bundesliga liegen vor, auch verschiedene Sponsoren haben Optionen für die Integrationsfigur aus Frankfurt parat - doch für Roller zurzeit nicht interessant: „Ich möchte zunächst mal einen Schnitt machen, sehe meine Zukunft aber in der Frankfurter Region, hier fühle ich mich heimisch. Ich werde Projekte begleiten und möchte die Chance nutzen, mich weiterzubilden."
Ein Projekt, um das sich Pascal Roller rund 122-mal bemüht hat, war die deutsche Nationalmannschaft. Viele Weggefährten aus der aktuellen Beko Basketball Bundesliga, aber auch NBA-Champion Dirk Nowitzki haben von den kreativen Momenten des Spielmachers profitiert. „Vor allem das EM-Jahr 2005 mit der Silbermedaille und natürlich die Olympia Teilnahme 2008 sind einmalige Momente gewesen, die ich mit der Nationalmannschaft erlebt habe. Wir sind als Team gewachsen. Freundschaften sind entstanden, die über den Sport hinausgehen." Die ehemaligen Zimmergenossen Konrad Wysocki, der Berliner Sven Schultze oder Johannes Herber, der künftig auf dem Frankfurter Parkett wirbeln wird, gehören zu den engsten Freunden auf Rollers Liste.
„Ich würde mich sehr freuen, wenn die Jungs eine gute Rolle bei der EM in Litauen spielen. Dirk und Chris Kaman sind natürlich wichtige Faktoren, mit denen man, vor allem im Hinblick auf die Olympischen Spiele, eine gewisse Kontinuität erzeugen kann", drückt Roller der deutschen Equipe ab August die Daumen und freut sich gleichzeitig über die positive Entwicklung im hiesigen Basketball. „Die Bundesliga ist auf einem guten Weg, es gibt ehrgeizige Ziele und eine gute Infrastruktur. Basketball wird auch künftig absolut attraktiv sein. Deutschland ist ein guter Standort dafür."
Und das sagt einer, der den Sprung in eine europäische Top-Liga gewagt hat: In der Spielzeit 2006/2007 erfüllte sich der sympathische Sportsmann einen Traum und trug das Trikot des italienischen Erstligisten Angelico Biella, überzeugte mit 7,0 Punkten und einer Freiwurfquote von über 91 Prozent. „Das Jahr in Italien hat Spaß gemacht. Ich bin mit meiner Freundin viel gereist und habe viel gesehen und gleichzeitig auf hohem Niveau Basketball gespielt", erinnert sich Roller, der nach einer Saison jedoch auch gerne den Weg in die Frankfurter Heimat antritt.
Ein Angebot, das Roller zu gerne angenommen hätte, kam aus Spanien: Der europäische Spitzenclub Regal FC Barcelona, bei dem unter anderem Jahrhunderttalent Ricky Rubio oder Juan Carlos Navarro auf Korbjagd gingen bzw. gehen, hatte ausgerechnet im schwierigsten Frankfurter Jahr 2005/2006 Interesse angemeldet. Doch Manager Dr. Gunnar Wöbke legte sein Veto ein, Roller blieb und sicherte seinem Team am letzten Spieltag in Oldenburg den Klassenerhalt. Das berühmte rotblaue Trikot mit der Nummer elf und seinem Namen, wird wohl für immer ein Traum bleiben.
Ein Traum, aber ein amüsanter, wäre die Teilnahme von Pascal Roller und einem frei gewählten Team an einem Streetball-Turnier, für das sich der Most Likeable Player der Beko BBL von 2010 seine persönliche All-Star Starting Five aufstellen darf: „Mit Dirk auf der Vier würde nicht so viel passieren", scherzt er. Doch wählen würde Roller Kai Nürnberger, als kongenialen Partner im Backcourt, zumal dieser sein Vorgänger auf dem Frankfurter Parkett war und dem jungen Roller viel gegeben hat. Von Spielmacher zu Spielmacher schätzt Roller vor allem die Ruhe und Souveränität des Europameisters von 1993 in kritischen Situationen. „Unter dem Brett gibt es für mich zwei Kandidaten: Robert Maras, mit dem mich weit über Frankfurter Zeiten hinaus viel verbindet, und natürlich Marius Nolte, der bei den Skyliners eine tolle Saison gespielt hat." Ergänzt wird das Roller`sche Dream Team von Konrad Wysocki, „einem sehr intelligenten und rebound-starken Spieler", sowie US-Boy Chris Williams, „der eine enorme Selbstsicherheit und zugleich Eleganz in seinem Spiel hatte". An der Seitenlinie stehen natürlich Thomas Meysen, Rollers erster Trainer beim USC Heidelberg, sowie der ehemalige Frankfurter Head Coach Gordon Herbert, dem der Kapitän eine große Rolle am Erfolg zuschreibt.
Er ist ein ganz großer, dieser Pascal Roller - auch dank seines Engagements abseits des Spielfeldes. „Als Profisportler genießt man oftmals eine privilegierte Stellung innerhalb der Gesellschaft. Daher empfinde ich es als eine dankbare Aufgabe, mich für die Schwächeren zu engagieren." Die Projekte „Basketball Aid" oder „Sportler für Organspenden" liegen dem 1976 geborenen Baden-Württemberger ebenso am Herzen wie zahlreiche kleine Projekte in der Region, die er gerne unterstützt.
Und nicht nur für solch vielfältiges Engagement, sondern auch für jeden Pass, jeden genialen Moment, den schönsten Sprungwurf der gesamten Bundesliga, jede faire Geste, jedes Autogramm und jeden Fotowunsch, jeden Auftritt im Nationaltrikot oder im Dress der Skyliners, jedes Siegerlächeln und jedes Interview, für jeden Händedruck, egal ob Hausmeister oder Manager aus Barcelona: Wenn das runde orangefarbene Leder es selbst könnte, es würde sich vor Pascal Roller verneigen. Völlig zu Recht.