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Briefe nach Delmenhorst: Rosemarie und Wolfgang Jondral feiern 60 Jahre Ehe

Rosemarie und Wolfgang Jondral haben ihr Glück nach der Flucht aus Ostpreußen in der Fremde gefunden. Foto: Svana Kühn

Delmenhorst. Nachdem sich Rosemarie und Wolfgang Jondral das Ja-Wort gaben, waren sie öfter voneinander getrennt als zusammen. Eine schwere Zeit, die sie aber zusammen gemeistert haben. Heute feiern sie ihre diamantene Hochzeit.


Ein Brief aus Peine. Die Handschrift seiner Frau. 36 Jahre lang hat Wolfgang Jondral als Berufssoldat in Delmenhorst gearbeitet. Viele Wochen, Tage und Stunden, die er nicht zu Hause verbringen konnte. Zu Hause bei Rosemarie und den Kindern. In den ersten zwei Ehejahren sah sich das Paar nur am Wochenende. Rosemarie Jondral schrieb ihrem Mann. Jeden Tag. Es war nicht immer einfach, doch die Jondrals haben zusammengehalten, sind Probleme gemeinsam angegangen und feiern am  Mittwoch, dem 18. August, ihre Diamantene Hochzeit.


Als Flüchtlinge nach Delmenhorst gekommen

Rosemarie und Wolfgang Jondral wurden beide in Ostpreußen geboren. Er 1938 in Bischofsburg und sie zwei Jahre später in Heiligenwalde. Beide kamen als Kriegsflüchtlinge nach Niedersachsen. Ihre gemeinsame Geschichte beginnt in Peine. Bei einem Schlesiertreffen, am 18. August 1956, lernte sich das Paar kennen. "Eine riesengroße Tanzveranstaltung war das", erzählt Rosemarie Jondral, die damals noch ihre Geburtsnamen trugt: Rosemarie Bandowski. Sie fiel Wolfgang Jondral sofort ins Auge: "Beim ersten Tanz kam mir ein anderer zuvor. Beim zweiten war sie auch direkt vergeben." Beim dritten Tanz hatte er Glück. 


Auf den Tag genau fünf Jahre später, am 18. August 1961, traten Rosemarie Bandowski und Wolfgang Jondral vor den Traualtar. Eine Doppelhochzeit mit Wolfgangs Bruder und dessen Frau. Der Polterabend endete um 2.30 Uhr in der Nacht und am nächsten Morgen wartete ein straffes Programm: Standesamt und Kirche. "Die Brautmesse war um 7 Uhr", so Wolfgang Jondral, "Aber damals, da war man jung und schwebte auf Wolke sieben. Da hat man die Hektik gar nicht wahrgenommen." 


Eine Beziehung auf Distanz

An eine gemeinsame Wohnung war aber trotz Ehe erst einmal nicht zu denken. Wolfgang musste zurück in die Kaserne. Zurück nach Delmenhorst. Rosemarie blieb bei ihren Eltern in Peine und arbeitete in einem Reformhaus. Zwei Jahre lang führen die beiden eine Beziehung auf Distanz, eine Wochenendehe. Ein Samstagabend und Sonntagmorgen waren alles, was ihnen blieb. "Ich bin heute noch dankbar, dass sie da nicht auf und davon ist", erzählt Wolfgang Jondral. 


Erst 1963 zieht das Ehepaar in Delmenhorst in die erste gemeinsame Wohnung. Es folgte ein großer Schicksalsschlag. "Eine schwarze Stunde in unserer Glückszeit" nennt es Wolfgang Jondral. Ihr erstes Kind, ihr Sohn Andreas, stirbt zwei Tage nach der Geburt. Wolfgang Jondral ist ein Mann, der gerne erzählt. Sehr lebhaft. Sehr energetisch. Als er von Andreas spricht, wird er auf einmal ruhig. Während der Beisetzung lag seine Frau noch im Krankenhaus. "Und ich musste direkt danach ins Auto steigen." Bundeswehreinsatz in Südfrankreich. Seine Ehefrau blieb zurück.


Das sollte aber nicht das Ende der Familienplanung sein. Die Jondrals versuchen es weiter. 1966 wird Tochter Andrea geboren. Den Namen wählen die Eltern in Andenken an den verstorbenen Sohn. Ein Jahr später kommt Wolfgang Junior zur Welt.


"Sie hat immer hinter mir gestanden"

Der Soldat arbeitet viel und gerne, engagiert sich im Ehrenamt, ist in verschiedenen Vereinen aktiv. Er spielt Handball beim TV Deichhorst, ist aktiv beim Verband der Reservisten der deutschen Bundeswehr, er betreibt Kriegsgräberfürsorge, engagiert sich in einer Betreuungseinrichtung für Soldaten, ist Schulelternsprecher und bringt sich in der Kommunalpolitik ein. Jetzt sitzt in seinem Wohnzimmer und blättert durch einen dicken Ordner mit Urkunden und Auszeichnungen, sucht nach der Urkunde, die ihm Richard von Weizsäcker zusammen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen hat, und liest vor: "Für die Pflichterfüllung weit über den Dienst hinaus." 


"Du hast bald einen Heiligenschein bekommen, was?", sagt seine Frau und lacht. All das wäre aber nicht möglich gewesen, hätte ihn seine Frau nicht immer unterstützt und dafür selbst zurückgesteckt, erkennt Wolfgang Jondral ihren großen Einsatz für die Familie an. "Sie hat immer hinter mir gestanden und dafür gesorgt, dass ich nicht umkippe." Sie übernahm Haushalt und Erziehungsarbeit, hielt ihrem Mann den Rücken frei. Urkunden, Medaillen oder Ehrennadeln gab es für ihre Leistung keine. "Aber das hat mir nichts ausgemacht", sagt Rosemarie Jondral. "Wir haben unser Glück nach der Vertreibung in der Fremde gefunden", so Wolfgang Jondral. "Und wir sind dankbar, dass es uns noch gemeinsam gibt."

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