Emanuel sitzt auf einer Decke am Boden und blickt spitzbübisch in die Runde. "Seht her, was ich kann!", scheint sein Blick zu sagen. Dass der Fünfjährige, der zart und zerbrechlich wirkt, überhaupt sitzen kann, grenzt an ein Wunder: Er war bei seiner Geburt gelähmt, die Mutter hatte ihn gleich nach der Niederkunft im Busch zurückgelassen. Nun plagen ihn aufgrund der Unterversorgung bei der Geburt Spasmen, die seine Hände verkrampfen. Doch der Bub hatte Glück im Unglück: Er wurde nach 24 Stunden von Frauen aus dem nahen Dorf entdeckt und zu Noelie Oubda gebracht, die selbst keine Kinder hat und sich seiner annahm.
Heute wird die Familie von einer mobilen Sozialarbeiterin mit physiotherapeutischer Ausbildung aus dem nahen Rehabilitationszentrum betreut: Hélène kommt zweimal die Woche, um die Fortschritte des Kleinen zu überprüfen und physiotherapeutische Übungen mit der Pflegemutter durchzugehen. Denn Emanuel hat ein Ziel: eines Tages zur Schule gehen zu können! Während Hélène und Noelie sich um den Kleinen kümmern, schauen die restlichen Familienmitglieder aus sicherer Entfernung zu. Sie alle leben in einem der typischen Gehöfte, die aus kleinen, strohbedeckten Lehmhütten bestehen und durch Mauern nach außen hin geschützt sind.
Hier in Burkina Faso, einem der ärmsten Länder der Welt, herrscht gerade Trockenzeit. Das bedeutet sengende Hitze und vor allem Staub, der durch jede Ritze dringt, Augen tränen und Nasen austrocknen lässt. Lange Autofahrten über staubige Landstraßen führen durch die terracotta-farbene Savanne, vorbei an Baobab-Bäumen und abgelegenen Dörfern.
Das Community Based Rehabilitation Center (CBR) in Garango ist eines von acht Gemeindenahen Rehabilitationsprogrammen in Burkina Faso, die von der Organisation "Licht für die Welt" ermöglicht werden. Unter dem Schatten der Bäume forumuliert René Nare, Direktor des Zentrums, seine Anliegen: die Menschen in den umliegenden Dörfern über Behinderung aufzuklären und Betroffene zu unterstützen. "Wir schicken Gesundheitshelfer in die Dörfer, um die Menschen davon zu überzeugen, behinderte Kinder in die Schule zu schicken", erklärt Nare. "Im Rehabilitationszentrum bieten wir zudem Beratung und Behandlungen an." Die Behandlung im Zentrum ist günstiger als in den umliegenden Spitälern.
(Susanne Wolf, derStandard.at, 22.5.2014)