Einen eher seltenen Bühnenstoff wählt Christian Spuck für seinen Einstand als Intendant. Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary". Zuletzt verabschiedete Ballettdirektor Jörg Mannes von der Staatsoper Hannover damit vor elf Jahren die französische Primaballerina Karine Seneca. Für Spuck ist es ein Neuanfang in Berlin, für die Mitglieder des Ensembles nach drei Jahren Interimsintendanz ein Hoffnungsschimmer.
Rufus Didwiszus’ minimalistisches Bühnenbild, Präriegräser vor dunklen Wänden und einer riesigen Schiebetür, bietet viel Raum für die knapp 80 Tanzenden, die größtenteils die Einwohnerschaft der kleinen Siedlung Yonville und Emma Bovarys Lebensdurst, ihr dunkles Seelenleben symbolisieren. Wie das unersättliche Party-Berlin ist die Landarztgattin immer auf der Suche nach dem nächsten Chic, nach dem nächsten Kick.
Bemerkenswert sind die schnellen Szenen- und Stimmungswechsel. Stücke von Thierry Pécou und György Ligeti verwendet Spuck stellvertretend für Emmas trauriges, rastloses Innenleben; romantische Klavierkonzerte von Camille Saint-Saëns stehen musikalisch für Schein und Schönheit, die Madame Bovary (Weronika Frodyma) blenden und schließlich in den Ruin stürzen.
Ihr Ende markiert den Anfang des Stückes. Elf verschleierte Gestalten in schwarzen Röcken stehen im Prolog wie regungslose Statuen an allen drei Bühnenwänden. In der Mitte des Raumes hat Spuck das ländliche Volk in abgewetzter Kleidung positioniert, ein langer Tisch trennt sie von Emmas Ehemann Charles, am linken Bühnenrand ein lautloses Duett. Die tragenden Streicher von Camilles »She was« setzen ein, der traurige Popsong wird sich motivisch durch das Stück ziehen.
Aus dem Off trägt Marina Frenk Madame Bovarys Sterbeszene in einer gekürzten Fassung vor: »Emmas Kopf war nach der rechten Schulter geneigt. Der Winkel ihres Mundes, der offenstand, sah aus wie ein schwarzes Loch im unteren Teil des Gesichts. Die beiden Daumen waren nach innen zur Handfläche gekrümmt.« Die schwarzen Gestalten tun es ihr nach. Die Bürgerinnen und Bürger heben und senken ihre Köpfe und Körper. Fast alle Tanzenden treten schleichend und gaffend ab.....
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