Samuel Meffire war in den 90er Jahren Star der landesweiten Imagekampagne "Ein Sachse." gegen Ausländerfeindlich. Im Interview spricht der erste afrodeutsche Polizist über deutsche Fehlerkultur und die missglückte Wiedervereinigung
Ihr Buch trägt den Titel "Ich, ein Sachse". Sie sind in Dresden aufgewachsen, wohnen seit 16 Jahren in Bonn. Fühlen Sie sich (noch) als Sachse?
Ja. Ich werde bis zu meiner letzten Stunde mein Ost-Sein in mir tragen, egal, wohin es mich verschlägt. Ich bin ein Sachse. Im glücklichen Exil.
Schon sehr früh. Zwei Lektionen meiner Mutter haben mich als Kind geprägt: Die erste Lektion war: "Du bist nirgendwo sicher." Durch ihr eigenes Trauma schwer verstümmelt und getriggert - insbesondere im besoffenen Zustand - pöbelte meine Mutter und drohte meinem Bruder und mir. Und verprügelte uns. Mein Vater starb am Tag meiner Geburt. Die Umstände, warum er starb, sind bis heute ungeklärt. Wahrscheinlich wurde er vergiftet. Die andere Lektion war also: "Du kannst niemandem trauen." Mit diesen beiden Leitsätzen im Kopf wuchs ich auf. Und so fuhr ich auch später als Polizist meine Einsätze, die oftmals schwierig und gefährlich waren. Bei mir stellte sich nicht das Gefühl ein, dass ich an einem sicheren Ort bin und den Menschen um mich herum vertrauen kann.
Nach dem Mauerfall waren in Dresden innerhalb von sechs Monaten bis zu 30 Prozent der Menschen ohne Arbeit und damit ohne Perspektive. Die DDR implodierte. Für viele im Westen war die DDR zudem ausschließlich ein Unterdrückungsstaat, und Existenzen, die im alten System aufgebaut wurden, waren plötzlich nichts mehr wert. Viele Menschen fühlten sich entwurzelt. Die Aggression wuchs rasend schnell. Noch dazu wurden von mittellosen, hungernden Soldaten der abziehenden Sowjetarmee Waffen und sogar Sprengstoff verkauft. Und es gab 1990 kein staatliches Regulativ. Menschen waren verängstigt, weil man sich im öffentlichen Straßenraum ohne Konsequenzen verhalten konnte, wie man wollte. Ich hätte die Polizei anrufen können, aber es wäre keiner gekommen! Die Gruppe, die Gomondai später ermordete, schoss wenige Stunden zuvor mit einer Signalpistole auf mich. Selbst der Weg von meiner Wohnung zur Kaufhalle war quasi "russisches Roulette". Eines meiner schlimmsten Erlebnisse war, als ein Mob versuchte, mit Gewalt in die Wohnung einzudringen, in der meine Freundin und ich lebten. Uns rettete lediglich eine aufgerüstete Eingangstür.
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