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Die Champagne. Erlesen.

In diesem Jahr begann Weihnachten für mich bereits im Herbst, als ein Päckchen mit dem „Champagne“-Buch von Gerhard Eichelmann (Mondo Heidelberg, 2013) im Briefkasten lag. Auf mehr als sechshundert Seiten beschreibt der ausgewiesene Champagner-Experte darin die Eigenschaften der unterschiedlichen Anbaugebiete, umschreibt die Champagnerproduktion in einfachen Worten und erklärt Begriffe wie „Debourbage“ (Trübstoffe im Most sinken nach dem Keltern innerhalb von 12 bis 24 Stunden auf den Boden) oder „sur lattes“ („auf Holzlatten“, Ausdruck zur Benennung der Lagerzeit auf der Hefe).

Den Hauptteil bilden Beschreibungen der wichtigsten Champagnerhäuser, und genau diese Seiten wurden für die letzten Wochen des Jahres zu meiner Bettlektüre. Welcher Champagner würde sich besonders gut für Weihnachten und Silvester eignen, welcher als Geschenk? Und welche Weingüter sollte ich bei meiner nächsten Reise in die Champagne nicht auslassen?

Bald wurde klar, dass ein derart umfassendes Buch bei solchen Fragen nur bedingt weiterhilft. Zu groß ist, wenig überraschend, die Champagnervielfalt, zu hoch die Anzahl der Champagner, die man zumindest einmal gekostet haben sollte. Doch genau diese Komplexität macht den Reiz der Champagne aus, und sie verführte mich zum allabendlichen Schmökern.

 

Unterschiedliche Produktionsphilosophien

Ich erfuhr, dass bei Alfred Gratien alle Weine in gebrauchten Barriques (225 Liter) vergoren und ausgebaut werden bevor man sie zur zweiten Gärung in die Flaschen füllt. Zudem wird die malolaktische Gärung, wie der biologische Säureabbau genannt wird, unterbunden. Diese Praxis steht im völligen Gegensatz zu Laurent-Perrier, wo die Weine zunächst in Tanks mit einem Füllvermögen von 300 bis 1.000 Hektoliter ausgebaut werden und dabei die malolaktische Gärung sehr wohl durchlaufen.

Die höhere Säure, die bei Alfred Gratien durch das Blockieren des biologischen Säureabbaus erreicht wird, soll dem Wein eine längere Haltbarkeit und mehr Frische verschaffen. Andererseits riskiert man beim Unterbinden des Säureabbaus, dass dieser in der Flasche einsetzen könnte, was schlecht wäre. Generell entscheiden sich die meisten Champagnerproduzenten für die malolaktische Gärung.

Welchen Einfluss haben diese unterschiedlichen Ansätze auf den Geschmack? Im Prinzip gilt dasselbe wie bei den Stillweinen: Der Holzausbau macht den Grundwein runder und komplexer, beim Ausbau in Stahltanks bleiben die fruchtigen Noten besser erhalten. Der biologische Säureabbau wiederum macht den Grundwein buttriger, demgegenüber führt dessen Unterbindung zu einer höheren Knackigkeit im Geschmack.

Für die richtige Balance ist der Chef de Caves, der Kellermeister, zuständig. Die Non-Vintage-Bruts von Alfred Gratien und Laurent-Perrier punkten beide mit einer ausgewogenen Frische in der Nase und am Gaumen, dem ein langer, eleganter Abgang folgt.

 

Der Assemblage-Faktor

Non-Vintage ist in der Champagne keine Seltenheit, sondern eher die Regel. Gemeint ist damit der Verzicht, sich auf einen bestimmten Jahrgang festzulegen. In der Champagne hat es Tradition, dem Grundwein aus Trauben des aktuellen Jahrgangs einen gewissen Anteil an Reserveweinen hinzuzufügen. In einem der besten Standardcuvées der Region, im Roederer Brut Premier, ist dieser Anteil mit einem Viertel sogar relativ hoch. Das Ziel dabei ist, über Jahre hinweg eine möglichst konstante Qualität gewährleisten zu können.

Bei Louis Roederer ist die Assemblage, wie das Mischen des Grundweins (der auch als „Cuvée“ bezeichnet wird) genannt wird, eine besonders komplexe Angelegenheit. Rund 40 unterschiedliche Lagen fließen in die Cuvée des Brut Premier ein. Sie sollen dem Endprodukt eine hohe Komplexität und, wie auch durch das Hinzufügen von Reserveweinen, ein gleichbleibendes Geschmacksbild verschaffen.

Bei allen diesen unterschiedlichen Produktionsphilosophien war noch gar nicht vom Hauptgeschmacksfaktor, nämlich von den zugelassenen Trauben, die Rede. Viel ist darüber schon geschrieben worden, daher nur kurz: Im Prinzip lässt sich die Champagne auf die Rebsorten Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay (Reihenfolge gemäß Anbaugröße) reduzieren. Obwohl in der Champagne zum überwiegenden Teil blaue Trauben geerntet werden, haben die meisten Champagner eine gelbliche Farbe, da ein Kontakt zwischen Traubenschalen und Most weitgehend vermieden wird.

Seit einigen Jahren erfreuen sich aber auch Rosé-Champagner einer zunehmenden Beliebtheit. Die Farbe gelangt entweder über die Mazeration (der Most liegt eine Zeit lang auf den Schalen) in die Flasche oder – und das ist eine Besonderheit der Champagne – über die Assemblage, bei der separat vinifizierte Rotweine in den Grundwein gemischt werden.

Letzteres ist zu einem kleinen Teil beim Gosset Grand Rosé Brut der Fall, der trotz seiner lachsfarbigen Erscheinung zu 60 Prozent aus Chardonnay besteht (der Rest ist Pinot Noir in unterschiedlichen Varianten). Das Ergebnis ist ein kraftvoller und zugleich fruchtbetonter Champagner, dem Eichelmann eine „gute Struktur, Substanz und Länge“ zuschreibt. Was ich bis vor kurzem übrigens ebenfalls nicht wusste: Gosset, das älteste Weinhaus in der Champagne, verfügt weder über eigene Weingärten noch über eine eigene Kelterstation, ist also eine reine Kellerei.

 

High-End Champagner

Neben den beliebten Standardcuvées gibt es die sogenannten Prestigecuvées. Mit ihnen stellen renommierte Betriebe unter Beweis, warum die Champagne zu Recht als die weltweit führende Schaumweinregion gilt. Häufig sind es Jahrgangschampagner, die nur nach herausragenden Ernten produziert werden und eine besonders lange Reifedauer auf der Hefe aufweisen. Glaubt man Eichelmann, dann verschafft La Grande Dame 1998 von Veuve Clicquot einen besonders nachhaltigen Eindruck. Dieser Schampus hat freilich seinen Preis, den lässt man sich am besten schenken.


http://www.burianek.net/files/Weinwelt_2013_04_Champagner.pdf