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Interview

"Die von der Krise am meisten betroffen sind, erreiche ich nicht mehr"

Alles dreht sich um Corona. Und jetzt? Ein Gespräch mit drei Aktivistinnen über den Kampf für Themen, die kaum Gehör finden. Haben sie ihr Druckmittel verloren?


Clara Mayer, Pressesprecherin von Fridays for Future, traf sich vor der Pandemie jede Woche mit bis zu hundert Menschen, um Klimastreiks zu planen. Jetzt hat sie bis zu sieben Telefonkonferenzen am Tag. Katja Maurer, Abgeordnete im Thüringer Landtag, hatte vor einem Jahr jeden Tag mit neuen Leuten zu tun, jetzt sitzt sie zu Hause vor ihrem Rechner. Verena Riedmiller hat im Oktober die politische Initiative Justice is Global Europe gegründet. Das Team der Initiative hat sich noch nie persönlich getroffen. Wie gehen politische Arbeit und Aktivismus in der Pandemie?

ZEIT Campus ONLINE: Katja, du bist Abgeordnete im Thüringer Landtag und dort Sprecherin für Umwelt, Klima und Tierschutz. Wie geht es dir damit, dass diese Themen gerade nicht im medialen Fokus liegen?

Katja Maurer: Es tut weh, wenn sich gefühlt niemand dafür interessiert, woran ich arbeite. Als politischer Mensch lebt man ja auch davon, Feedback zu bekommen und Veränderung zu spüren. Am Ende des Jahres zählt aber, dass ich Anträge geschrieben und eingereicht habe, und das kann ich auch ohne politische Öffentlichkeit.

ZEIT Campus ONLINE: Clara, auch Fridays for Future bekommt kaum noch mediale Aufmerksamkeit. Habt ihr euer politisches Druckmittel verloren?

Clara Mayer: Natürlich ist es einfacher, mit einem Politiker seine Forderungen zu besprechen, wenn man vorher in der Tagesschau war. Im Moment lernen wir gerade, dass wir Druck nicht mehr medial, sondern gesellschaftlich aufbauen müssen. Indem wir Bündnisse mit Gewerkschaften, Kirchengemeinden oder Verbänden eingehen. Und wir nutzen die Zeit, uns als Organisation um uns selbst zu kümmern. Wir diskutieren, was langfristig unsere Ziele sind und wie wir uns auf die Bundestagswahlen vorbereiten wollen. Dafür hatten wir vorher durch die Organisation der wöchentlichen Streiks keine Zeit.

ZEIT Campus ONLINE: Medien spiegeln auch, welche Themen die Gesellschaft bewegen. Woher wisst ihr, dass Klimaschutz immer noch ein Thema ist, das vielen Menschen wichtig ist?

Mayer: Wenn ein Thema Menschen solche Sorgen bereitet, dass sie Konfliktsituationen eingehen, also nicht mehr zur Schule, Uni oder Arbeit gehen, dann wird das Thema nicht von einem Tag auf den anderen unwichtig.

ZEIT Campus ONLINE: Man könnte sagen, dass das mediale Echo ein Messinstrument für Erfolg war. Schaffte es beispielsweise eine Demo in die Nachrichten war sie erfolgreich. Wie definiert ihr Erfolg für euch?

Maurer: Ich fühle mich erfolgreich, wenn Menschen mir schreiben, dass sie meine Rede gehört haben oder sich wegen mir bei den Linken engagieren.

Verena Riedmiller: Ich gebe Trainings für Aktivistinnen, in denen es darum geht, sie bei ihrer Arbeit zu stärken. Für mich zählt, ob ich es schaffe mein Gegenüber zu ermächtigen, Verantwortung zu übernehmen. Wenn jemand nach einem Gespräch sagt: "Ich glaube, ich traue mich jetzt die Fundraising-Kampagne, die für meine Gruppe wichtig ist, zu starten", oder: "Ich glaube, ich traue mich jetzt mit dieser einen wichtigen Person zu sprechen", war ich erfolgreich.

Mayer: Eigentlich sollte es ein Erfolg sein, wenn wir als Team mit dem zufrieden sind, was wir auf die Beine gestellt haben. Aber natürlich spielt auch eine Rolle, wie viele Leute unsere Aktion auf Social Media teilen. [...]