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Kreuzberg ist sein Konzertsaal

Die Melodie von Mozart mischt sich unter das Gehupe der Autos am Kottbusser Damm. Beethoven begleitet die Menschen beim Einkauf. Einige bleiben stehen, lauschen, schließen die Augen. Andere hetzten weiter. Ein kleines Mädchen wiegt sich in ihrem ganz persönlichen Rhythmus zum Takt der Musik.

Helmut sitzt einfach da und spielt, mitten auf der Straße, direkt gegenüber vom Discounter. Blaues Sakko, dunkler Schal, den Kopf nach unten geneigt. Die Autos und vorbeigehenden Menschen nimmt er gar nicht wahr. Seine Finger gleiten über die Tasten, und ab und zu wirft jemand eine Münze in seinen Hut. Langsam geht die Sonne unter, die Luft wird frisch, Helmut spielt einfach weiter.

Seit mehr als 20 Jahren fährt Helmut mit seinem Klavier durch die Straßen, in Kreuzberg hat ihn fast jeder schon mal irgendwo spielen gesehen. Seinen Nachnamen will er lieber nicht nennen. „Früher war ich besser", sagt er mit einem Lächeln. „Heute bin ich ein bisschen ramponiert. Meine Finger werden steif." Er ist jetzt 71 Jahre alt. Ein paar seiner Zähne haben sich mit den Jahren verabschiedet. Seine Kleidung riecht nach kaltem Rauch, und sein rechter Zeigefinger hat sich mit der Zeit gelblich gefärbt.

Einen festen Plan hat er nicht. Wann, wo und was er spielt, entscheidet er spontan. ...

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