„Ach, du bist aus China? Mein Bruder hat dort mal gearbeitet." Es ist ein lauer Sommerabend im Frankfurter Westend zwischen Generalkonsulaten und der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Von der Terrasse eines kleinen Restaurantes dringt ein Wirrwarr aus Deutsch, Englisch und Polnisch auf die Straße. Rund 30 Menschen sind zum allmonatlichen „Newcomer's Event" der Organisation InterNations gekommen. Auf ihren Blusen und Hemden kleben kleine Namensschilder: Brighu, Fabio, Sara oder Jason, fast alle sind „Young Professionals". Ihre Schreibtische stehen in den Bürotürmen großer IT-Unternehmen oder Banken. Sie sind jung und gut ausgebildet - und vor allem: neu in der Stadt.
Vor der Tür des Restaurants wartet Andreas Zimmermann. In der Hand hält er ein Klemmbrett mit einer Liste. Der 34-Jährige begrüßt die Neuankömmlinge und kontrolliert, ob sie sich für das Treffen angemeldet haben. Seine Haare sind kurz, er redet schnell - ein Macher im roten Polohemd. Seit vorigem August ist er Mitglied bei InterNations. Inzwischen ist er „Consul" der Frankfurter Gruppe, hat Aufgaben und Verantwortungen übernommen. „Internations gibt mir viel", sagt er und wechselt von Deutsch zu Englisch. Als er nach Frankfurt gezogen sei, sei es schwer gewesen, neue Leute kennenzulernen. „Jetzt ist mein Horizont erweitert und meine Freizeit gefüllt." Er organisiert Brettspielabende oder Ausflüge, „zum Beispiel in das Bahnhofsviertel".
Die meisten hat der Beruf nach Frankfurt gebracht, so wie Sara Lopez. Die 28-jährige Ingenieurin aus dem nordspanischen Gijón lebt und arbeitet seit drei Jahren in Deutschland. Freunde hätten ihr von dem Treffen heute Abend erzählt, und jetzt hofft sie, nicht nur neue Menschen kennenzulernen, sondern vielleicht auch noch eine Wohnung in Frankfurt zu finden. „Good luck", wünscht ihr Anna Bryl.
Die Weißrussin wohnt in Bad Nauheim - „Wohnungen in Frankfurt sind zu teuer". Die beiden jungen Frauen wechseln von Englisch zu Deutsch. „Das klappt inzwischen immer besser", sagt Sara Lopez, die in Spanien eine Sprachschule besucht hat. „Und es ist viel leichter zu verstehen als Schweizerdeutsch", stimmt ihr Anna Bryl zu. Die Weißrussin ist im Grenzgebiet zu Polen aufgewachsen und arbeitete lange in der Schweiz. „Ich musste immer schon zwischen verschiedenen Sprachen wechseln", erzählt sie. Vor ihr auf dem Tisch steht ein Glas Rheingauer Riesling für 6,50 Euro. „Seit zwei Jahren trinke ich sehr viel Wein", sagt sie in fast akzentfreiem Deutsch. Das bringe die Arbeit für einen aus-tralischen Weinproduzenten nun mal mit sich, sagt sie und schiebt nach: „Für Weingüter gilt: Je smaller, desto besser."
Treffpunkte Internations FrankfurtInternations Frankfurt lädt Neubürger zum nächsten „Newcomer's Event" am 18. August ab 19.30 Uhr in die Champions Sports Bar im Marriott-Hotel ein. Anmeldung und Infos auf www.internations.org/frankfurt-expats
Pubcrawl Frankfurt veranstaltet jeden Freitag und Samstag ab 22 Uhr eine öffentlichen Kneipentour. Treffpunkt ist der Justitia-Brunnen am Frankfurter Römer. Kosten: 15 Euro. http://www.pubcrawl-frankfurt.de/kneipentour-frankfurt/
Die Gruppe „Neu in Frankfurt" trifft sich regelmäßig zu einem Stammtisch. Der nächste Termin ist am 15. August, 19 Uhr, in der „Luckys Sportsbar" in Bockenheim.
Weitere Treffen findet man auf https://www.meetup.com/de-DE/topics/expat/de/frankfurt/ und https://www.couchsurfing.com/places/europe/germany/frankfurt-am-main.
„Hier, meine Karte." Jason Rylands hat immer genug Visitenkarten in der Hosentasche. Der Australier lebt seit einem Jahr in Deutschland und ist an diesem Abend einer der wenigen Netzwerker über 30. Für ein mittelständisches Unternehmen aus Herborn reist er durch Europa und die Welt. „Vor ein paar Wochen war ich in einem Bergwerk in Norwegen", berichtet er stolz. Jason Rylands ist Spezialist für Datenzentren an ungewöhnlichen Orten. An diesem Abend ist er mit einem Hemd und einer Jeans leger gekleidet - ganz anders als im Berufsalltag als „Global Director for Data Center and Open Compute Solutions": „Wenn ich von meinem Schreibtisch aufstehe, muss ich mein Jacket anziehen - das ist Vorschrift." Gott sei Dank gebe es die obligatorische Unternehmenskrawatte nicht mehr, witzelt Rylands.
Auch dem Inder Brighu Mehta drückt er eine Visitenkarte in die Hand. Der junge Student macht ein Praktikum bei einem französischen Unternehmen in Frankfurt, wohnt aber in Dortmund, „direkt hinter dem Signal-Iduna-Park", dem BVB-Stadion. Er hofft, neue Menschen kennenzulernen. „Frankfurt ist viel kosmopolitischer als Dortmund."
Andreas Zimmermann steht immer noch an der Restauranttür. Die Haken auf seiner Namensliste sind mehr geworden, auf der Terrasse sind inzwischen alle Tische besetzt. „Zu unseren Treffen kommen Menschen aller Schichten und jedes Alters", sagt der „Consul". „Wir sind eine sehr durchmischte Gruppe."
Das erste Ergebnis des Abends: Sara Lopez und Anna Bryl werden zusammen ins Kino gehen. Ihre Verabredung möchten sie mit Riesling feiern und fragen Jason Rylands, wie man in Australien anstoße. Der hat sich im konservativen, „sehr deutschen", Mittelhessen gut eingelebt, ohne seinen australischen Charme zu verlieren: „Get it down your neck", empfielt er, „kippt es den Hals runter."