0 subscriptions and 8 subscribers
Article

Lottogewinner: Wie es wirklich ist

Zu mir kommen die Lottospieler aus Bayern, die Gewinne von mehr als 100.000 Euro erzielt haben, um sich ihren Gewinn bestätigen zu lassen. Erst dann wird ihnen die entsprechende Summe auf ihr Konto überwiesen. Es gibt keinen Blumenstrauß, keinen überdimensionalen Scheck, nicht mal Champagner. Als staatliches Unternehmen verzichten wir auf Alkohol. Am liebsten stoße ich mit Traubensaftschorle an.

In dem Moment, in dem die Gewinner auf der dunklen Ledercouch in meinem Büro sitzen, fällt ihre Anspannung ab, denn es kann nichts mehr passieren. Ohne Spielquittung gibt es nämlich kein . Dieses Stückchen Papier ist über Nacht zu einem millionenschweren Dokument geworden. Manchmal frage ich, wo sie die Spielquittung in den vergangenen Tagen aufbewahrt haben: unterm Kopfkissen oder Wohnzimmerteppich, im Kühlschrank, in der Kaffeedose. Im Juli hat eine 45-Jährige aus Unterfranken erst spät bemerkt, dass sie sechs Richtige getippt hatte, und ist wochenlang mit dem Zettel im Geldbeutel rumgelaufen, ohne zu wissen, dass der plötzlich rund 33 Millionen wert war.

Ich mag meinen Job, denn er macht mir Spaß, ich habe ein sicheres Einkommen, und er ist abwechslungsreich. So verschieden Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Reaktionen. Manche machen Luftsprünge, andere können gar nichts mehr sagen. Diesen Herbst hat ein erfolgreicher Unternehmer 2,4 Millionen Euro gewonnen, gerade als er aus dem Frankreichurlaub mit seiner Frau zurückkam, und ist nach dem Besuch bei mir erst mal zum Juwelier gefahren, um ihr Schmuck zu kaufen. Ein anderer Gewinner wollte seinem Chef endlich mal die Meinung sagen und seinen Job hinwerfen. Er war noch recht jung, die Summe zwar hoch, aber nicht so, dass es fürs restliche Leben gereicht hätte. Zusammen haben wir überschlagen, er wollte sich dann doch lieber ein Motorrad kaufen. Ein älterer Mann sagte, dass er gerne das ganze Geld hierließe, wenn dafür seine Frau wieder gesund würde. Ein Handwerker stand mit seinem Betrieb gerade vor der Pleite und hatte gefürchtet, seine Mitarbeiter entlassen zu müssen. Durch seinen Gewinn haben die nie davon erfahren.

Newsletter

Kommst Du mit? - Die neue Reisecommunity der ZEIT

Jede Woche laden wir Sie ein, kleine und große Entdeckungen zu machen: ZEIT-Journalistinnen, Kreative und Einwohner aus aller Welt empfehlen in unserer Reisecommunity ihre absoluten Lieblingsorte.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzbestimmungen zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Seit zwanzig Jahren rate ich allen das Gleiche: Erzählen Sie es nicht den Nachbarn, keinen Freunden, nicht groß innerhalb der Familie. Beispielsweise nicht den Kindern, die noch schulpflichtig sind, damit sie ihre Ausbildung ungestört weitermachen können. Ob sie das wirklich tun, das weiß ich nicht. Auch nicht, was sie mit dem Geld anfangen, denn ich sehe sie nur einmal. Außer sie gewinnen noch mal - was in meiner Karriere schon zwei Mal passiert ist.

Wenn Sie in unserer Rubrik "Wie es wirklich ist" berichten möchten, melden Sie sich bei uns: wirklich@zeit.de

Original