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Corona-Testzentrum in München: "Ich verdiene mit dem Testzentrum 42.500 Euro brutto im Monat"

Das Coronavirus verändert für viele Menschen, wie und wo sie arbeiten. Und auch, wie viel Geld sie verdienen. Wer kann, arbeitet im Homeoffice. Für Freiberufler brechen Aufträge weg, sie wissen nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, andere mussten ihre Geschäfte schließen und hoffen auf finanzielle Unterstützung. In der Serie "Kontoauszug" stellen wir Menschen vor, die genau davon erzählen: Was heißt Corona für meine Arbeit - und für mein Konto? Hier berichtet die 25- jährige Mia Böhmer*, die in München ein Corona-Testzentrum leitet.

Beruf: Ich habe Medizin studiert und mein Staatsexamen im Dezember des vergangenen Jahres bestanden. Danach hatte ich einige Monate Zeit, in denen ich wenig zu tun hatte. Einen Job an der Uniklinik hatte ich schon vor meinem Abschluss sicher, doch der fing erst im April an. Eigentlich wäre ich gerne in der Zwischenzeit auf Reisen gegangen, aber das war ja wegen kaum möglich. Also haben mein Freund und ich - er studiert auch Medizin - ein Testzentrum eröffnet. Auf die Idee kamen wir, als ein Bekannter von uns das auch gemacht hat und meinem Partner dann einen Job mit einem Stundenlohn von 30 Euro angeboten hat. Da dachten wir: So viel Geld, wie kann das sein? Mein Freund hat recherchiert und festgestellt: Es kann sich finanziell echt lohnen, selbst so ein Zentrum zu betreiben. Ich war zunächst skeptisch, aber er konnte mich überzeugen. Wir saßen bis nachts an den Anträgen, haben unsere ganze Energie reingesteckt. Der Start war anstrengend, weil wir beide Mediziner sind, keine Unternehmer.

"Mitte März haben wir den Antrag für die Eröffnung eines Testzentrums gestellt" Mia Böhmer, 25, Ärztin

Mein Freund ist in aufgewachsen und hat bei seinem alten Turnverein nachgefragt, ob er die geschlossene Halle mieten kann. Der Verein willigte ein, sofern wir die Trainer einstellen, die gerade nichts zu tun haben. Mitte März haben wir beim Gesundheitsamt einen Antrag für die Neueröffnung eines Testzentrums gestellt. Wir mussten eine PowerPoint-Präsentation schicken und uns digital vorstellen. Gemeinsam mit der Behörde haben wir die Hygienemaßnahmen ausgearbeitet, beispielsweise, wie wir die Abstandsregeln innerhalb der Halle einhalten können. Auch haben wir eine maximale Testkapazität angegeben. Im März dachten wir, dass wir 500 bis 600 Schnelltests pro Tag durchführen können - doch wir haben uns unterschätzt. Tatsächlich schaffen wir bis zu 1.400 Abstriche am Tag, weil wir mehr Personen zum Testen eingesetzt und elf Stunden am Tag geöffnet haben. Wir arbeiten immer mit vier Angestellten, an Feiertagen und am Wochenende sogar mit sechs.

Der Bruder meines Freundes studiert Informatik. Er hat uns eine Software programmiert, die automatisch einen QR-Code generiert, mit dem sich die Leute registrieren können und ihren Befund per Mail aufs Handy geschickt bekommen. So müssen wir nicht einzeln die Ergebnisse verschicken. Die Menschen, bei denen wir einen Schnelltest vorgenommen haben, müssen auch nicht die 15 Minuten bis zum Ergebnis in der Halle warten, sondern können Platz für die nächsten machen. Wegen der Abstandsregeln dürfen eh nur um die 20 Menschen zeitgleich im Gebäude sein. Die Software spart also enorm viel Zeit. Mittlerweile haben wir 20 Angestellte auf freier Basis: die Übungsleiter vom Sportverein, die beiden Brüder meines Partners, und Medizinstudierende und Abiturienten, die ein bisschen Geld verdienen wollen. Unser Team ist unter 30 Jahre alt, alle sind richtig motiviert. Wir zahlen ihnen 20 Euro pro Stunde, damit sie Nasenrachenabstriche übernehmen. Generell bieten wir nur Schnelltests an, keine PCR-Tests. Zwar fühlt sich ein Nasenrachenabstrich unangenehmer an, er ist aber medizinisch gesehen viel genauer als nur ein Nasentest. Ich habe alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult, damit sie es auch wirklich richtig machen.

"Im Mai haben wir mehr als 20.000 Tests durchgeführt." Mia Böhmer, 25, Ärztin

Im April haben wir 13.870 Tests und im Mai sogar mehr als 20.000 Tests durchgeführt. Für jeden Test bekommen wir 15 Euro von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. In den vergangen zwei Monaten haben wir einen Umsatz von 512.520 Euro mit dem Testzentrum gemacht. Zumindest theoretisch, denn wir haben bisher noch keine Zahlung von der Kassenärztlichen Vereinigung erhalten. Aber das Geld ist garantiert und soll am 19. Juni auf das Geschäftskonto überwiesen werden, welches mein Freund extra für das Testzentrum eröffnet hat.

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Unsere Ausgaben lagen bisher bei etwa 150.000 Euro. Darin enthalten sind monatliche Personalkosten von 25.000 Euro. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden pro Stunde bezahlt. Sie sind alle als kurzfristig Beschäftigte angestellt, was mein Freund und ich schon vom Oktoberfest kannten, weil wir beide während unseres Studiums dort gejobbt haben. Durch die Art der Beschäftigung können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten maximal 72 Tage arbeiten und in diesem Zeitraum so viel verdienen, wie sie wollen. Der Arbeitgeber muss keine Sozialabgaben zahlen. Manche aus dem Team arbeiten richtig viel, etwa 40 Stunden die Woche, andere nur am Wochenende. Für sie ist es ein Nebenjob.

Abgesehen vom Personal mussten wir einiges für Material ausgeben: Wir haben beispielsweise 5.000 Euro in Pavillons, Scanner, Mülltonnen und Trennwände investiert und kaufen jeden Monat für 9.000 Euro Desinfektionsmittel, Schutzkittel, FFP2-Masken, Eddings und Klebeband. Wir haben auch Werbung für unser Zentrum gemacht, Plakate und Banner aufgehängt. Die Tests kaufen wir für sechs Euro das Stück in einer ein. Diese Kosten können wir bei der Kassenärztlichen Vereinigung einreichen, bekommen unsere Ausgaben für die Schnelltests dann komplett zurückerstattet. Auf Vorrat wollten wir anfangs keine großen Mengen an Tests kaufen, weil wir Angst hatten, dass wir dann auf ihnen sitzen bleiben. Doch dann lief das Geschäft so gut, dass wir doch auf einmal 10.000 Schnelltests gekauft haben. Die Apotheke hat uns angeboten, dass wir sie zur Not wieder zurückgeben können, außerdem müssen wir das Geld erst zahlen, wenn wir es tatsächlich vom Amt bekommen haben. Jetzt haben wir für die 35.000 Tests, die wir bisher gekauft und von denen wir alle bis auf 1.900 verbraucht haben, schon 210.000 Euro bei der Apotheke angeschrieben. Wir wollen zahlen, sobald das Geld der Kassenärztlichen Vereinigung bei uns eingegangen ist.

Mittlerweile habe ich meine feste Stelle als Ärztin an einem Krankenhaus angetreten, das Testzentrum betreue ich nebenbei. Und mein Freund arbeitet dort in Vollzeit weiter, weil es so gut läuft und viel Spaß macht mit dem jungen Team.

Ausbildung: Nach meinen Abitur 2014 habe ich mit meinem Notendurchschnitt von 1,2 ohne Probleme einen Studienplatz bekommen. Das Studium fiel mir leicht, also habe ich es in der Regelstudienzeit durchgezogen.

"Abstriche mache ich keine mehr." Mia Böhmer, 25, Ärztin

Arbeitszeit: Als Ärztin bin ich in dem Krankenhaus mit 40 Wochenstunden angestellt. Ich habe maximal viermal in der Woche 13-Stunden-Dienste und dann wieder viel Zeit am Stück frei. Das ist natürlich perfekt, weil ich dann im Testzentrum mithelfen kann, wie an Feiertagen und am Wochenende. Dort arbeite ich etwa zehn Stunden in der Woche. Meine Arbeit hat sich dort seit März gewandelt. Anfangs half ich beim Aufbau, schulte das Personal. Jetzt bin ich die ärztliche Leitung, sozusagen der Name auf dem Stempel, die Person, die am Ende die Verantwortung trägt. Abstriche mache ich selbst keine mehr. Ich sende die Namen und Kontaktdaten der Corona-Positiven ans Gesundheitsamt - deren Anzahl ist in den vergangen Wochen extrem zurückgegangen - und telefoniere jeden Abend mit dem Team vor Ort. Außerdem checke ich, ob es neue Verordnungen gibt.

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