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Schwieriger als erwartet

Viele Asylbewerber haben nur einen Job als Hilfs- oder Leiharbeiter gefunden. Foto: dpa

Viele Erwartungen und Hoffnungen sind in der Flüchtlingswelle des Jahres 2015 von Politik und Wirtschaft geschürt worden. BDA-Präsident Ingo Kramer betonte noch im letzten Jahr „Viele Migranten sind eine Stütze der deutschen Wirtschaft geworden". Angela Merkel habe mit ihrem inzwischen legendär gewordenen Satz „Wir schaffen das" am Ende recht behalten.

Eine in der vergangenen Woche vorgestellte Studie des Berlin-Instituts zeigt eine Realität auf, die ernüchtert. Jeder dritte Asylbewerber habe inzwischen einen sozialversicherungspflichtigen Job gefunden. Allerdings seien mehr als ein Drittel in der Leiharbeitsbranche oder als Hilfsarbeiter untergekommen. Sie fanden vor allem im einfachen Dienstleistungsbereich ein Auskommen. Der Sprung in die reguläre Beschäftigung hingegen, so die Experten, gelinge selten.


Hoffnungen erweisen sich als unrealistisch

Das Berlin-Institut hat einen Blick auf die Hürden geworfen, die Asylbewerbern in Deutschland den Weg in Arbeit erschweren. So sind es auf der einen Seite die individuellen Hürden, die Menschen nach Deutschland mitbringen: Vor allem mangelnde Sprachkenntnisse und das fehlende Wissen über den deutschen Arbeitsmarkt. Auch ließe sich mitgebrachte Bildung nicht einfach mit den Anforderungen in Deutschland vereinbaren. Diese Hürden seien inzwischen überwiegend durch eine entsprechend aufgebaute Struktur und Angebotspalette abgefedert worden.


Viel schwieriger seien die institutionellen Hürden, die Politik und Verwaltung aufgebaut hätten. Die Zuständigkeiten seien über zu viele Akteure verteilt, die Gesetzeslage sei zu komplex und die Anforderungen an die Geflüchteten zu restriktiv. „In den Gesprächen haben die Geflüchteten wie auch die Experten übereinstimmend geäußert, dass die institutionellen Hürden mindestens ebenso hoch sind wie die individuellen", sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Als Fazit stellen die Experten fest, dass „die Politik Reformen und Gesetze stärker von ihrer Umsetzbarkeit her planen muss, um den ohnehin langen Weg der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt nicht durch unpraktikable Regelungen zusätzlich zu erschweren".


Angesichts des vorgestellten Ergebnisses wird deutlich, dass Vieles, was 2015 an Hoffnungen auf allen Seiten formuliert wurde, nun etwas vorsichtiger betrachtet werden muss. Es geht um gesellschaftlichen Zusammenhalt.


Der katholische Sozialethik-Professor Elmar Nass schreibt im Ethikblog des Wilhelm Löhe Ethikinstituts zur Flüchtlingsfrage aus Sicht der Sozialen Marktwirtschaft im Hinblick auf die Willkommenskultur: „Darauf dürfen wir in Deutschland stolz sein, denn das steht unserer humanistischen Kultur Sozialer Marktwirtschaft gut zu Gesicht. Dazu gibt es keine Alternative."


Nass betont aber auch die Grenzen. Ein „Beitrag zur sozialen Verantwortung" sei es, dass man sich nicht in Utopien bewege. „Wir müssen weiter fragen, welchen Inhalt die moralische Wertegrundlage des Zusammenhalts haben kann in einer schon jetzt entchristlichten Gesellschaft."


Der emeritierte Professor für Sozialwissenschaften, Manfred Spieker, wurde im letzten Dezember in einem Essay für die FAZ noch deutlicher. Das „undifferenzierte Aufnehmen, Schützen, Fördern und Integrieren" sei nicht realistisch. Man werde künftig stärker zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheiden und die mit dem Asylrecht verbundenen Ansprüche, etwa auf Familiennachzug, einschränken müssen.


Für Spieker erfordere die Sicherstellung des Gemeinwohls, die das Ziel der katholischen Soziallehre sei, eine Steuerung von Migration primär nach den Erfordernissen des Gemeinwohls und nicht nach den Ansprüchen der Migranten.


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