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Gefangen im Niemandsland zwischen Libanon und Syrien

Der Libanon wies erstmals aus Syrien geflüchtete Palästinenser aus. Drei von ihnen verharren im Grenzgebiet beider Länder

"Am 3. Mai war ich am Flughafen Beirut, um nach Libyen zu reisen. Die Sicherheitskräfte sagten, das Visa sei gefälscht und hielten mich gemeinsam mit anderen 26 Stunden lang fest. Sie brachten uns zum Grenzübergang Masnaa ohne uns irgendetwas zu erklären. Dann sagten sie uns, dass wir deportiert werden. Sie gaben uns nicht die Chance, in ein anderes Land zu reisen. Ich sagte dem Chef der Sicherheitskräfte, dass ich nicht nach Syrien kann, weil ich sonst verhaftet werde, weil ich meinen Wehrdienst nicht angetreten habe."

Die Worte stammen von einem 26-jährigen Palästinenser, der sein Schicksal Lama Fakih von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Telefon aus dem Niemandsland zwischen dem Libanon und Syrien schildert. Mit drei anderen Deportierten verharrt er dort, aus Angst in den Kriegsschauplatz Syrien zurückzukehren. "Die anderen sind wieder nach Syrien eingereist. Was mit ihnen geschehen ist, wissen wir nicht", sagt Fakih im Gespräch mit derStandard.at aus Beirut.

Gemeinsam mit 40 anderen Palästinensern, die aus Syrien geflohen sind, wurde der Mann aus dem Libanon deportiert, nachdem er am Flughafen in Beirut festgenommen wurde. Laut Fakih, die sich für die Menschenrechtsorganisation mit dem Schicksal der Palästinenser im Libanon beschäftigt, ist es das erste Mal, dass Palästinenser aus dem Libanon nach Syrien ausgewiesen wurden.

Verschärfung

Es ist das jüngste Anzeichen dafür, dass die libanesische Regierung eine Verschärfung ihrer Flüchtlingspolitik vornehmen will. Die Rechnung dafür bezahlen vor allem Palästinenser, die am Wochenende auch Schwierigkeiten hatten in den Libanon zu einzureisen, um den Kriegswirren in Syrien zu entfliehen. Erst nach Interventionen internationaler Organisation, wurde ihnen die Einreise wieder gestattet.

Mehr als eine Million syrische Flüchtlinge leben mittlerweile im Zedernstaat, nur rund 60.000 davon sind Palästinenser. Ihr Status im Land ist prekär: Anders als syrische Staatsbürger werden sie von der libanesischen Regierung nicht offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Ihre Aufenthaltsgenehmigung ist nur temporär.

Zwischen den Fronten

Vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien im März 2011 leben rund 500.000 Palästinenser in Syrien, viele davon wurden im Land geboren und sind dort aufgewachsen. Doch im Konflikt um die Vorherrschaft in Syrien, sind sie zwischen die Fronten geraten. Palästinensische Flüchtlingscamps sind besonders von der Gewalt in Mitleidenschaft gezogen worden, das Yarmuk-Lager im Süden von Damaskus ist seit Monaten belagert.

Rund die Hälfte aller Palästinenser in Syrien mussten seit dem Ausbruch der Kämpfe laut dem Büro für die Koordinierung von humanitären Angelegenheiten flüchten. Die meisten davon innerhalb Syriens. Die wenigen, die es in den Libanon schaffen, müssen oft in den ohnehin überfüllten Palästinenser-Camps im Libanon leben. Anders als in Syrien, wo sie unter Assad viele Freiheiten genossen, sind sie im Libanon unerwünscht. Palästinenser im Libanon dürfen nur eine stark eingeschränkte Zahl von Jobs annehmen. Ohne Unterstützung der chronische unterfinanzierten UNRWA, der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge, wüssten viele nicht, wie sie ihre Familie ernähren sollen.

Diskriminierung

Politisch sind die mehrheitlich sunnitischen Flüchtlinge aus Syrien im Libanon ein immer größeres Problem, bringen sie doch das fragile Gleichgewicht aus Schiiten, Sunniten und Christen gehörig ins Wanken. Für die rund viereinhalb Millionen Libanesen sind sie eine zunehmende Belastung: Wohnungspreise explodieren, die Kriminalität steigt, der Arbeitsmarkt ist angespannt. "Diskriminierende und rassistische Vorfälle nehmen zu, Ausgangssperren für Ausländer aber auch vereinzelte Fälle von Gewalt gegen Flüchtlinge gibt es vermehrt", berichtet Fakih.

Der arabische Kleinstaat werde allein gelassen, sagt Fakih: Jordanien hat seine Grenzen für Palästinenser geschlossen, Länder wie Ägypten oder Libyen würden Palästinenser in einigen Fällen wieder zurück in den Libanon deportieren. Und das Geld, das die internationale Gemeinschaft zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zur Verfügung stellt, "reiche nicht". ( Stefan Binder, derStandard.at, 8.5.2014)

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