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Spionieren im Dienste Ihrer Majestät

Die skandalgebeutelten britischen Geheimdienste stehen erneut im Fokus der Öffentlichkeit. Doch wer kontrolliert die Spione? Das Hauptquartier des MI6, des Auslandsgeheimdienstes Großbritanniens, an der Themse. (Foto: AP File)

Dr. No, Blofeld oder der Beißer - alle hat sie James Bond schon zur Strecke gebracht. Im Namen Ihrer Majestät spioniert, liebt und tötet der britische Agent auf der Leinwand scheinbar ohne jegliche juristische Grenzen. Zumindest was Letzteres betrifft, war die Realität lange Zeit nicht weit von der Fiktion entfernt. Britische Spionagedienste sind schon viel länger im Geschäft als zum Beispiel ihre US-Kollegen von CIA und NSA. Seit mehr als 100 Jahren spionieren der MI5 (Inlandsgeheimdienst) und der MI6 (Auslandsgeheimdienst) für Gott, Königin und Vaterland. Rund 80 Jahre davon existierten sie offiziell gar nicht, Parlamentsabgeordnete konnten keine Fragen stellen, um herauszufinden, was die Geheimdienste eigentlich machen.

Die ersten Gesetze, um die Arbeit der Spione zu regeln, traten 1911 mit dem Official Secrets Act in Kraft. Damit sollte unter anderem verhindert werden, dass Informationen über den Geheimdienst nach außen treten. Wer den Buchstaben des Gesetzes zufolge schuldig war, Geheimnisse nach außen getragen zu haben, galt als Verräter und musste mit vielen Jahren Haft rechnen - die Grundzüge des Gesetzes sind noch immer in Kraft.

Geheimdienste Großbritanniens Reform

Nach knapp acht Jahrzehnten im Schatten wurde die Arbeit der Geheimdienste in den 80ern auf neue Beine gestellt. Das Resultat war unter anderem eine Reform des Official Secrets Act im Jahr 1989: Dabei wurde unter anderem die bisher bestehende "Public Interest Defence" aus dem Gesetz gestrichen. Die Bestimmung bewahrte Informanten bis dahin vor dem Gefängnis, wenn ihre Veröffentlichungen im öffentlichen Interesse waren. Der neuen Regelung zufolge bricht das Gesetz, wer als aktiver oder ehemaliger Mitarbeiter eines Geheimdienstes über seine Tätigkeit außerhalb der Arbeit spricht - egal ob die Bekanntmachung im öffentlichen Interesse ist oder nicht.

Gleichzeitig jedoch wurde in dem Gesetz die Arbeit des Inlandsgeheimdienstes MI5 auf neue Beine gestellt - 1994 folgten der MI6 und der GCHQ. Zum ersten Mal wurde ein parlamentarisches Komitee eingerichtet, um die Arbeit der Dienste zu überwachen. Allerdings nur formal, denn in der Realität war die Arbeit der Parlamentarier zahnlos, da sie nur Politik, Finanzen und Administratives überwachen konnten. Zeugen vorführen, die Herausgabe geheimer Dokumente erzwingen oder Vorwürfe bei spezifischen Operationen untersuchen konnte der zuständige Ausschuss nicht.

Zusammenarbeit mit Islamisten

Die Botschaft der Reform war klar: Wer aus der Reihe tanzt, wird verfolgt. Zu spüren bekommen haben das unter anderem Annie Machon und David Shayler. In den 90er-Jahren deckten die beiden Ex-MI5-Agenten unter anderem auf, dass ...

... der Auslandsgeheimdienst MI6 1996 versuchte, Muammar al-Gaddafi mithilfe der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) zu töten. Der Geheimdienst zahlte ohne Wissen des zuständigen Ministers 100.000 Pfund an islamistischen Kämpfer mit Verbindungen zur Al-Kaida. 2005 wurde die LIFG als terroristische Organistiaion in Großbritannien verboten.

... ein Anschlag auf die israelische Botschaft 1994 verhindert hätte werde können.

... dass der Inlandsgeheimdienst MI5 Informationen über Peter Mandelson, Jack Straw und Harriet Harman - alles Minister in der Labour-Regierung von Tony Blair - sammelten.

Beide Agenten mussten nach ihren Enthüllungen aus Großbritannien fliehen. Für seine Enthüllungen wurde Shayler später in Großbritanien zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Jagd auf die beiden hat offenbar Spuren hinterlassen, Machon macht seither mit Verschwörungstheorien zu den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Tod von Prinzessin Diana auf sich aufmerksam. Shayler proklamierte zudem, er sei Messias.

"Super-Injunctions"

Verfassungsbeschwerden sind gegen diese Praktiken in Großbritannien nicht möglich, schließlich hat das Land keine schriftliche Verfassung.

Auch die Möglichkeiten britischer Medien, über die Skandale zu berichten, sind eingeschränkt. Geheimdienste können gerichtliche Unterlassungsurteile gegen Medien beantragen, um Berichterstattung zu verhindern oder einzuschränken. Sogenannte "Super-Injunctions" verbieten Medien sogar, über die Unterlassungen selbst zu berichten.

Auch die rigide Anti-Terror-Gesetzgebung des Landes kann verwendet werden, um Journalisten einzuschüchtern. Von der britischen Regierung anfänglich als Hysterie abgetan, wurden die Befürchtungen im Fall Snowden Wirklichkeit, nachdem der Lebenspartner des "Guardian"-Journalisten Glenn Greenwald aufgrund genau dieser Bestimmungen am Flughafen Heathrow festgehalten und durchsucht wurde. Sollte die Berichterstattung britischer Medien der nationalen Sicherheit Schaden zufügen, können Journalisten nach Artikel 5 des Official Secrets Act von 1989 sogar gerichtlich verfolgt und verurteilt werden.

Britische Politiker verweisen immer wieder auf den "Public Interest Disclosure Act" von 1998, der Enthüller von Missständen im öffentlichen Dienst vor Strafverfolgung, Strafversetzungen oder Kündigungen aufgrund ihrer Enthüllungen beschützt. Die Geheimdienste sind davon allerdings ausgenommen. ( Stefan Binder, derStandard.at, 27.1.2014)

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