1 subscription and 0 subscribers
Article

Mahnwache Bautzen: Bautzener Verschwörungskabinett

Die Schaltzentrale einer radikalen befindet sich im schweizerischen Walzenhausen nahe St. Gallen. Dort wohnt Ivo Sasek, Gründer der Organischen Christus-Generation. Sasek predigt die völlige Unterwerfung unter Gott, wirbt für die Prügelstrafe für Kinder und sendet über ein Netzwerk aus Websites und Fernsehstudios antisemitische Verschwörungsmythen in die Welt.

Die scheinen an einem Ort besonders zu verfangen: im ostsächsischen . Dort versammeln sich wöchentlich Anwohner für eine Mahnwache. Schon seit Februar 2021 ruft die Bürgerinitiative Mahnwache Bautzen wöchentlich zu Kundgebungen im Stadtzentrum auf, gegen die Corona-, Energie-, Russland- und Asylpolitik. Einer ihrer Organisatoren ist der ehemalige Spielzeughändler Veit Gähler.

Seit Kurzem steht fest: Die Mahnwache Bautzen möchte eigene Kandidaten für die anstehende Kreistagswahl stellen. Engagierte Anwohner warnen, Organisator Gähler sei infiziert vom radikalen Gedankengut der Organischen Christus-Generation - und verbreite dies seit Jahren in der ostsächsischen Stadt.

In der Stadt regt sich Widerstand

Birgit Kieschnick will das nicht mehr hinnehmen. Sie setzt sich für ein familienfreundliches Bautzen und für politische Bildung vor Ort ein, um den Verschwörungsmythen in ihrer Stadt etwas entgegenzusetzen. Erstmals von der Organischen Christus-Generation mitbekommen habe sie unter anderem im Spielzeugladen von Veit Gähler. Dort soll er eine Zeitschrift ausgehändigt haben: Das Magazin Stimme und Gegenstimme verteilen Sasek-Anhänger per Hand, um, so die interne Doktrin, staatliche Zensur zu umgehen.

Newsletter

"Was jetzt?" - Der tägliche Morgenüberblick

Starten Sie mit unserem sehr kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag. Erhalten Sie zudem jeden Freitag das digitale Magazin ZEIT am Wochenende.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Anhänger der Organischen Christus-Generation eint eine von Verschwörungsmythen verzerrte Sicht auf die Welt. Die Außenwelt gilt als satanistisch beeinflusst. Im Zentrum der Sekte steht Oberhaupt Ivo Sasek. Der verbindet religiösen Fundamentalismus mit politischer Indoktrination und legt seiner Gefolgschaft strenge Regeln auf: Gehorsam, Unterordnung und Selbstaufgabe.

Harald Lamprecht ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche . Er sagt: "Sasek tritt mit einer gottgegebenen Autorität auf. Seine Anhänger sind ihm absolut hörig." Anfangs habe der gelernte Automechaniker insbesondere im freikirchlichen Bereich rekrutiert. Später sei ein zweiter Zweig hinzugekommen, "das Umfeld der Verschwörungsideologen".

Dass auch Gähler aus diesem Umfeld kommt, legt sein Internetauftritt nahe. Er ist etwa als Oberlausitzer Ansprechpartner der sogenannten Gemeinwohllobby gelistet, einer Gruppierung, die der sächsische Verfassungsschutz zu den Reichsbürgern zählt. Die Verbindung zwischen Reichsbürgerideologie und Organischer Christus-Generation ist nicht überraschend: Sasek soll in der Vergangenheit persönlichen Kontakt zu Peter Fitzek, dem Gründer des Fantasiestaats Königreich Deutschland, gepflegt haben.

Bühne für Verschwörungsideologen

Saseks apokalyptische, militante Sprache treffe auf Leute aus dem Verschwörungsmilieu, "darunter auch ehemalige Neonazis, die ein ganz anderes Verhältnis zu physischer Gewalt haben", warnt Lamprecht. "Er sieht seine Anhänger als eine Armee Gottes in einem endzeitlichen Kampf. Da steckt Sprengstoff drin." 2020 war bekannt geworden, dass die Organisation Feindeslisten mit mehr als 8.000 Datensätzen zu Politikerinnen, Journalisten und Mitgliedern jüdischer Gemeinden angelegt hatte.

Besorgt zeigen sich einige Bautzener deshalb darüber, dass bekannte Redner aus dem Sasek-Kabinett in ihrer Stadt eine Bühne geboten bekamen - ermöglicht und beworben auch durch Veit Gähler. Im Februar 2023 etwa kam Ernst Wolff nach Bautzen. Wolff war wenige Jahre zuvor auf einer sogenannten Anti-Zensur-Konferenz aufgetreten, einem Kongress, auf dem Sektenführer Sasek Gleichgesinnten eine Bühne bietet, darunter Holocaustleugner, Scientologen und Anhänger der antisemitischen Anastasia-Ideologie. Nach Bautzen eingeladen wurde er von der selbst ernannten Bürgerinitiative von Bürgern für Bürger. Unter früheren Einladungen hatten Jörg D., Bautzener Bauunternehmer, und Veit Gähler unterschrieben.

Schon Jahre zuvor kehrten einschlägig bekannte Verschwörungsideologen in Bautzen ein: etwa Thorsten Schulte, der Waffenbesitz zum Naturrecht erklärt, oder Rainer Rothfuß, Bundestagsabgeordneter der AfD, der sich mehrfach von verschiedenen Kanälen der Sekte interviewen ließ - und 2017 an einem Bautzener Gymnasium über Geopolitik referieren sollte. In einem Seminar zu "wesensgemäßer Erziehung und Bildung" im November 2023 sprach die Referentin Sonja Maier, Gründerin einer mittlerweile geschlossenen Schule in Österreich, in der Kritiker "sektenartige Züge" und "autoritäre Strukturen" sahen - sie war 2018 ebenfalls auf Saseks Anti-Zensur-Konferenz aufgetreten.

Werbung für die Sekte

Veit Gähler ist aktiv - und vernetzt. 2016 verlegte er sogar eine eigene Zeitschrift, Denkste. "In einer Ausgabe war eine ganzseitige Werbung für die Organische Christus-Generation enthalten", erinnert sich Kieschnick. Aus seiner Begeisterung für die Sasek-Sekte macht Gähler keinen Hehl. "Licht ist die einzige Gewalt gegen die Finsternis", zitiert er in einer Einladung den Sektenführer, der in einer Predigt Jesus mit Adolf Hitler verglich und seine Kinder dazu angehalten haben soll, Mein Kampf zu lesen.

Wie steht die Bautzener Kommunalpolitik zu den rechten Umtrieben? Kieschnick sagt, sie habe viele Politikerinnen und Politiker angesprochen und kritisiert, man habe ihre Warnungen nicht ernst genommen. Auf Anfrage lässt die Stadtverwaltung wissen, ihr seien "keine Häufungen von Auftritten" aus dem Umfeld der Organischen Christus-Generation bekannt. Man distanziere sich jedoch von Auftritten, "die den freiheitlich-demokratischen Grundwerten unserer Verfassung widersprechen". Das gelte gleichwohl für alle "extremistischen Ränder".

Wir müssen reden - über Rechtsextremismus!

Hier schreiben engagierte Autoren über die extreme Rechte, Rassismus und Antisemitismus.

Was wir machen - und wie man mitmachen kann

Das Verschwörungswirrwarr in ihrer Stadt wollen viele Bautzener nicht mehr hinnehmen. Zuversicht schöpft Birgit Kieschnick aus der Initiative B96 Begradigen, die sich seit Mitte 2023 an der Bundesstraße zwischen Bautzen und Zittau trifft - dort, wo Wutbürger seit der Pandemie mit Reichsfahnen und QAnon-Postern protestieren. Auch Veit Gähler soll dabei gewesen sein.

Von ZEIT ONLINE konfrontiert, geht Gähler auf Fragen zu seinen Kontakten in das Milieu der Organischen-Christus Generation nicht ein. Stattdessen lässt er wissen, er sei "überzeugter Demokrat" und gebe auch solchen Positionen Raum, "die aufgrund eines immer enger werdenden Meinungskorridors kaum noch Raum bekommen". Ob er selbst als Kandidat für die anstehende Wahl antreten wird, hält er sich laut Bericht der Sächsischen Zeitung noch offen.

Die Schaltzentrale einer radikalen befindet sich im schweizerischen Walzenhausen nahe St. Gallen. Dort wohnt Ivo Sasek, Gründer der Organischen Christus-Generation. Sasek predigt die völlige Unterwerfung unter Gott, wirbt für die Prügelstrafe für Kinder und sendet über ein Netzwerk aus Websites und Fernsehstudios antisemitische Verschwörungsmythen in die Welt.

Die scheinen an einem Ort besonders zu verfangen: im ostsächsischen . Dort versammeln sich wöchentlich Anwohner für eine Mahnwache. Schon seit Februar 2021 ruft die Bürgerinitiative Mahnwache Bautzen wöchentlich zu Kundgebungen im Stadtzentrum auf, gegen die Corona-, Energie-, Russland- und Asylpolitik. Einer ihrer Organisatoren ist der ehemalige Spielzeughändler Veit Gähler.

Original