Zum ersten Mal seit Jahren hat die NPD mit einem Wahlerfolg Schlagzeilen gemacht: Der Parteifunktionär Stefan Jagsch soll künftig die Interessen eines Ortsteils der hessischen Gemeinde Altenstadt vertreten. Einstimmig wurde er zum Ortsvorsteher von Waldsiedlung gewählt - mit freundlicher Unterstützung der Ortsbeiräte von CDU, FDP und SPD.
"Großer Erfolg im Kleinen - gute Kommunalpolitik zahlt sich aus!", jubelte die NPD-Bundespartei auf ihrer Facebook-Seite, die bundesweite Empörung über den Vorgang griff die braune Truppe natürlich auch gleich dankbar auf. Jeder noch so kleine Anlass zum Feiern ist willkommen im Lager der Rechtsextremen - selbst die Berufung eines Parteivertreters in ein politisch eher bedeutungsloses Amt in einem 2600-Einwohner-Ortsteil.
Tatsächlich erinnert der Fall in Altenstadt daran: Die NPD ist noch da. Sie mag zwar in keinem Landtag mehr vertreten sein, doch auf kommunaler Ebene sind die Rechtsextremen nach wie vor präsent. Und nicht selten ist ein gefährlicher Gewöhnungseffekt eingetreten: Dann gehört die NPD wie in Altenstadt-Waldsiedlung zur Lokalpolitik einfach dazu.
Dabei kämpft die Partei auf der großen Bühne, in den Ländern, im Bund, in Europa seit Jahren gegen die zunehmende Bedeutungslosigkeit. Innerhalb der letzten zehn Jahre sank die Zahl ihrer Mitglieder von mehr als 7000 auf rund 4000 Personen. 2017 lehnte das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der Partei mit der Begründung ab, dass diese nicht einflussreich genug für ein Verbot sei.
Bei der Bundestagswahl im selben Jahr hatte die NPD gerade noch 0,4 Prozent der Stimmen erreicht, in Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein trat sie gar nicht an. 2014 flog die Partei nach zwei Legislaturperioden aus dem sächsischen Landtag, 2016 war auch in Mecklenburg-Vorpommern Schluss, ebenfalls nach zwei Wahlperioden. Ihr letztes großes Mandat verlor die braune Truppe schließlich in diesem Jahr: Bei den Europawahlen im Mai sackte die NPD auf ein Ergebnis von 0,3 Prozent ab. Ex-NPD-Chef Udo Voigt musste seinen Sitz im Europaparlament nach fünf Jahren wieder räumen.
Dazu befindet sich die NPD fast schon chronisch in finanziellen Schwierigkeiten. Mit den sinkenden Wahlergebnissen nahmen auch die Einnahmen stark ab. Laut Bundestagsverwaltung bekam die rechtsextreme Partei im Jahr 2018 noch rund 878.000 Euro vom Staat - zehn Jahre zuvor waren es noch fast 1,5 Millionen Euro. Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag haben zudem kürzlich den gänzlichen Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt. Sollte der Antrag erfolgreich sein, würde das auf Dauer vermutlich den finanziellen Ruin für die Partei bedeuten.
Der nette Rechte von nebenan
Die NPD spielt überregional also kaum noch eine Rolle. Das heißt jedoch nicht, dass sie von der Bildfläche verschwunden ist. In vielen Gemeinden ist die Partei immer noch fest verankert. Dazu zählt auch das hessische Altenstadt, wo Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher gewählt wurde. Rund zwölf Prozent stimmten dort bei den Kommunalwahlen 2016 für die NPD, in einem Stadtteil im benachbarten Büdingen waren es sogar knapp 32 Prozent. Die wenige Kilometer östlich gelegene Stadt gilt als Hochburg der Rechten: 10,2 Prozent lautete das Gesamtergebnis bei der Kommunalwahl.
Der Fall Jagsch zeigt, dass Kommunalparlamente oft ein eigenes politisches Biotop sind, das anfällig ist für die sogenannte Graswurzelstrategie, die die NPD lange verfolgte - also die gezielte gesellschaftliche und politische Arbeit auf lokaler Ebene. Die funktioniert besonders dort gut, wo die NPD von persönlichen Verbindungen profitieren kann.
In der Waldsiedlung etwa kennt man Stefan Jagsch seit seiner Kindheit. Sein CDU-Kollege im Ortsbeirat beschreibt Jagsch als "kollegialen und ruhigen" Menschen, ein SPD-Ortsbeirat sagt, Jagsch habe sich in den Sitzungen des Gremiums noch nie rassistisch geäußert. Dass der NPD-Mann auf Demonstrationen "Deutschland den Deutschen"-Sprechchöre anstimmt, lässt sich im lokalpolitischen Alltag zwischen Frühjahrsputz auf den Straßen und Debatten über zu laut bellende Hunde schnell vergessen.
So versucht die NPD ihre letzten Bastionen zu halten. Und zum Teil gelingt ihr das auch: Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr zog sie im sächsischen Reinhardtsdorf-Schöna mit rund 20 Prozent in den Gemeinderat ein, im Brandenburgischen Wollin erhielt die Partei 14 Prozent der Stimmen. In Mecklenburg-Vorpommern ist die NPD weiterhin in fünf von acht Kreisparlamenten vertreten, und im thüringischen Eisenach gewann sie ein Mandat dazu und sitzt nun mit vier Abgeordneten im Stadtrat.
Konkurrenz von der AfD - und von Neonazi-Parteien
In Eisenach wurde die NPD stärker, obwohl auch die AfD dort inzwischen mit vier Sitzen im Stadtrat vertreten ist. Das ist nicht selbstverständlich. Denn vielerorts leidet die NPD unter dem Aufstieg der Konkurrenz, die nicht nur Rechtspopulisten eine Heimat bietet, sondern auch extremere Positionen duldet. Und je erfolgreicher die AfD ist, umso attraktiver wird sie für den Rechtsaußenwähler, der seine Stimme bei der NPD verschenkt sieht.
"Die AfD saugt gerade alles auf, was rechts der Union steht", erklärte NPD-Chef Frank Franz zuletzt auf einem Parteitag der NPD. Auf der anderen Seite gibt es dann auch noch diejenigen, denen die NPD in ihrem Streben nach Sitzen in den Parlamenten längst zu bieder geworden ist. "Der beinharte Neonazi wählt inzwischen eher Kleinparteien wie Die Rechte oder den III. Weg. Der Rechtspopulist wählt eher die AfD", sagt Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzt. Für die NPD bleibe da nicht mehr viel übrig.
Die Verbotsverfahren in den Jahren 2003 und 2017 überlebte die NPD. Ebenso die Zeit von 1972 bis 2002, in der sie bei Bundestagswahlen nie mehr als 0,6 Prozent der Stimmen bekam. Vielleicht werden die AfD und das fehlende Geld das Schicksal der NPD nun endgültig besiegeln. Frank Franz ist jedoch noch nicht bereit, seine Partei aufzugeben: Er und seine Parteifreunde seien schließlich "Überzeugungstäter".