Die Schulen sollen endlich digitaler werden. Doch Bund und Länder streiten sich noch immer um Geld und Zuständigkeiten. Dabei zeigen Vorreiter schon, wie moderne Schulen funktionieren – ohne Hilfe der Politik.
Die digitale Zukunft versteckt sich hinter der tristen Gegenwart: grauer Beton, tiefe Decken, endlose Flure. Auch in den Klassenzimmern der Carl-Benz-Schule in Koblenz sieht es aus wie in einer ganz normalen deutschen Schule. In dem Raum, in dem die Schüler der 11b gerade Matheunterricht haben, hängen Geodreieck und Zirkel an der Wand.
Doch die alten, analogen Hilfsmittel benutzt hier niemand. Stattdessen beugen sich die Schüler über ihre iPads. Lehrerin Birgit Grün bespricht mit ihnen die vergangene Mathearbeit, es geht um Funktionen und Ableitungen. „Die Aufgabe hab ich nicht gecheckt", klagt einer aus der letzten Reihe. Ein Mitschüler soll daher sein iPad mit der Kamera verbinden, damit alle in der Klasse mitlesen können, wie er die Aufgabe gelöst hat.
Die Schüler können die Bildschirme der Geräte mit Stiften bearbeiten, sie benutzen eine App, die Graphen und Funktionen darstellt, und noch eine, die den Taschenrechner mit dem Tablet verbindet. Schöne neue Schulwelt? Klassen mit iPads ausstatten, sie in allen Fächern einsetzen – für die Carl-Benz-Schule ist es nur der jüngste Schritt.
Für die meisten anderen Schulen wäre es dagegen ein Meilenstein. Dort hielte man es schon für zukunftweisend, wenn Kreide- oder Filzstifttafeln durch sogenannte Smartboards ersetzt würden. Selbst wenn die an der Frontal-Pädagogik, bei der dozierende Lehrer statt (selbst-)lernende Schüler im Mittelpunkt stehen, noch nichts änderten.
In Koblenz hingegen können die Schüler ihre Arbeitsblätter in einem Schuldatenspeicher sichern, über eine Lernplattform Onlinekurse absolvieren und auch Tests ablegen. Sie können mit Smartphone-Adapter und App radioaktive Strahlung messen, in einem IT-Labor Sprachassistenzsysteme ausprobieren oder dank Virtual-Reality-Brillen buchstäblich in ihren Lernstoff eintauchen. Das smarte Klassenzimmer, im beschaulichen Koblenz ist es schon Realität.
Eigentlich könnte, ja: müsste es an allen Schulen in Deutschland so aussehen wie in Koblenz: Ohne Medientraining und digitale Schulung, ohne zeitgemäße Hardware und kundige Lehrkräfte werden sich Kinder und Jugendliche später wie Analphabeten durch die codierte Welt bewegen. Einer Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zufolge wünschen sich vier von fünf Lehrern daher endlich eine zeitgemäße digitale Ausstattung. Der Expertenrat für Forschung und Innovation der Bundesregierung diagnostiziert in seinem jüngsten Jahresgutachten einen „großen Handlungsbedarf“.
Trotzdem geht es in deutschen Schulen meist noch immer kathederhaft und analog zu. Und das hat vor allem zwei Gründe: Uneinigkeit und Geld. Insgesamt fünf Milliarden Euro will der Bund den Ländern in einem „Digitalpakt Schule“ zur Verfügung stellen. Für jede der rund 43.500 Schulen in Deutschland wären das rechnerisch fast 115.000 Euro. (...)
(€)
Original