Polizeigewalt und Rassismus: Zumindest im TV wird über die Darstellung der Polizei nachgedacht.
Nein, die Polizei gibt kein gutes Bild ab. Aktuell sehen wir gleich aus mehreren deutschen Städten erschreckende Bilder von Polizeigewalt. Und auch rassistisch motivierte Kontrollen und überzogenes Vorgehen bei BIPoC sind weiterhin an der Tagesordnung. Aber von einem strukturellen Problem will man nichts hören.
Aber nun wieder mit „ ACAB"-Schildern auf die Straße zu gehen, ist nicht die Lösung. Denn nicht alle Polizist*innen sind „Bastarde" (was eine veraltete Beleidigung das doch ist). Aber wir müssen eine Debatte darüber führen, dass alle Polizist*innen für eine Behörde arbeiten, in der Gewaltbereitschaft und institutioneller Rassismus vorhanden sind.
Dass jemand wie Horst Seehofer da nur mit Abwehr und Realitätsverdrängung reagieren kann, ist ja fast verständlich. Was soll man denn auch als scheidender Innenminister tun? Studien? Detaillierte Erhebung über die Kontrollaktivitäten? Realistische Verurteilungschancen bei Polizeigewalt? Dann doch lieber Vogel-Strauß-Taktik.
Übrigens nicht zu verwechseln mit der Franz Joseph Strauß-Taktik, bei der man die rechteste Partei in Deutschland sein will und dann auch noch stolz darauf ist. Und damit sind wir wieder bei den Problemen der Polizei.
Seehofer geht wie viele andere von einer Unfehlbarkeit der Polizei aus, weil er glaubt, dass es nicht sein kann, dass diejenigen, die die Bevölkerung beschützen, sich in der Durchsetzung dieser edlen Aufgabe auch falsch verhalten können. Ein überhöhtes, falsches Bild von Heldentum umgibt die Polizei und macht jede Kritik unzulässig.
So funktioniert auch die Darstellung der Polizei im TV. Sie sind Held*innen, die Guten, die die Bösen jagen und dabei ihr Leben riskieren. Klar gibt es hier und da Mal einen abtrünnigen Polizisten. Der wird dann aber (meist von eine*r Kolleg*in) zur Strecke gebracht. Und damit ist die Ordnung in der Polizei dann wieder hergestellt.
Crime-Storys gehören zu den beliebtesten Genres in Film und TV. Es sind Geschichten von grundlegender Moralvorstellung, die die Welt klar unterteilt. Es wird ein Bild vermittelt, in dem Polizist*innen nicht nur einfach gut in ihrem Job sind, sondern auch fair und leidenschaftlich für das Gute kämpfen.
Im englischen Sprachraum wird für solche Geschichten die wundervolle Wortschöpfung „Copaganda" benutzt. Denn da wir uns zunehmend der Brutalität und des Fehlverhaltens der Polizei bewusst werden und endlich BIPoC zuhören, wenn sie von ihren Begegnungen mit der Polizei berichten, wird die Darstellung des „ Helden-Cop " nun grundlegend in Frage gestellt. Anders als im Crime-Genre dargestellt, werden in der Realität die abtrünnigen Polizist*innen nur selten zur Strecke gebracht und es sind auch keine Einzelfälle.
Was Politiker*innen nicht anerkennen wollen, tut nun wenigstens eine der beliebtesten Polizeiserien der Welt: „ Brooklyn Nine-Nine" (auf ) hat die achte Staffel komplett über den Haufen geworfen und wird „von vorne anfangen", so Terry Crews, einer der Hauptdarsteller. Zu viel ist passiert. Zu viele sind in den USA durch die Hände von Polizist*innen gestorben.
Alle Beteiligten der Serie wollen nun herausfinden, wie sie weiter eine Sitcom machen können, die sich auf eine Gruppe von Polizist*innen konzentriert, die als sympathische Held*innen dargestellt werden. „Wir sind alle in Kontakt und diskutieren darüber, ob wir einen Weg finden, eine Show über die Polizei zu machen, der sich für uns moralisch in Ordnung anfühlt", erklärte Jake Peralta-Darsteller und Produzent Andy Samberg.
Bei „ Brooklyn Nine-Nine " möchte man kein Teil mehr davon sein, kritiklos das Bild des grundsätzlich guten Polizisten zu schüren. Schön, dass wenigstens bei der Polizei im TV nachgedacht wird, ob man alles richtig macht.
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