Als eine der bedeutendsten Kunstschulen des 20. Jahrhunderts wird dem Weimarer Bauhaus in diesem Jahr besondere Beachtung geschenkt - dass es das hundertjährige Gründungsjahr feiert, wird kaum jemandem entgangen sein, der sich nur ansatzweise für Design oder Architektur interessiert. In Büchern und Publikationen wurde bislang das Wirken überwiegend unter der Prämisse der Entwicklung innerhalb Deutschlands betrachtet. Doch viele internationale Dimensionen werden erst heutzutage ersichtlich - und sind nun Forschungsgegenstand eines zweiteiligen Werks des Kunsthistorikers Dr. Christoph Schulz-Mons gewesen, der besonders französische Wegbereiter des Bauhaus unter die Lupe genommen hat.
Manuel Kreuzer
Der Kommunikationsdesigner Manuel Kreuzer hat mit seinem Passauer Büro für visuelle Gestaltung die Konzeption des zweiteiligen Buchprojekts verantwortet, das im August 2019 im August Dreesbach Verlag erschien. Unter Verwendung der Funktional Grotesk von Davide Rossetto ist hier ein Werk gelungen, das trotz insgesamt 632 Seiten Text zum Lesen anregt - und zwar ohne einen einzigen Absatz!
Das mag auch daran liegen, dass das dazugehörige bebilderte Buch mit über 300 Abbildung für Abwechslung sorgt, und Lust zum Blättern und Entdecken. Hier tauchen Referenzen zur französischen Aufklärung auf, genauso spielt auch die Expo von 1885 eine Rollen und schließlich widmet sich das Werk dem Kubismus als virulente Bewegung.
Inhaltlich werden konsequent die persönlichen Kontakte zwischen französischen und deutschen Künstlern, Kritikern, Kunstverständigen sowie Galeristen näher beleuchtet. Doch auch die unterschiedlichen kulturellen wie geschichtlichen Voraussetzungen Frankreichs und Deutschlands, und das jeweilige Kunstverständnis werden verglichen. "Frankreich und das Weimarer Bauhaus" erfindet das Rad nicht neu, doch schließt eine Lücke in der Forschung rund ums Bauhaus.
Schulz-Mons' Untersuchungen fußen auf der Erkenntnis, dass schon nach Mitte des 17. Jahrhunderts Frankreich den Rang als führende Kulturnation innehielt; er argumentiert zugunsten eines französischen Fundaments des Bauhaus. "Es brachte aber mit dem Highlight der Rue des Nations für das Bauen repräsentativer Architektur den Totentanz der Fassade auf die Weltbühne, die traditionell als zentrale Entwurfskategorie galt. Daraus entwickelten sich entsprechende Finden im beginnenden 20. Jahrhundert, einschließlich der Bauhaus-Architektur"
Der promovierte Kunst- und Kulturhistoriker Schulz-Mons nimmt feinste Details behutsam unter seine Lupe , mit französischem Fokus, aber gesamteuropäischen Panorama. Neue Erkenntnisse garantiert - nicht nur hinsichtlich des kampflustigen Dramatikers und Publizisten Denis Diderot, dessen Vorahnungen auf die Gründung des Bauhaus deuteten, sondern auch bezüglich der Weise, wie sich Kunst und Industrie miteinander verhielten, welche Absurditäten also die Weltausstellung 1855 bedeutete und wie sich diese Prinzipien exemplarisch auf das "Versuchshaus" des Weimarer Bauhaus übertrugen. Weiters folgt eine genaue Untersuchung des Verhältnisses einzelner Protagonisten im Bereich Architektur und Industriedesign: "Es gibt aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, also vor der Gründung des Bauhauses, eine Kette von Impulsen, die Le Corbusier aus Deutschland mitnahm, speziell aus dem Diskussions- und Bilderfundus des Werkbundes, wobei Gropius eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte [...]" (Seite 550). Scharfsinnige Bezugnahmen, spannende Erkenntnisse.
Manuel Kreuzer
Dieser Beitrag zur französisch-deutschen Kunstbeziehung in der Moderne ist nicht die erste Kollaboration zwischen dem August Dreesbach Verlag und dem Grafikbüro Kreuzers. Gemeinsam betreiben Manuel Kreuzer und Verlagsleiterin Dr. Anne Dreesbach die Grafikagentur Dreekreuz, die regelmäßig verschiedene Editorial Designs, wie etwa die typografischen Reise "Typotopografie Leipzig" oder die Buchgestaltung des "75 Jahre GBW", in Zusammenarbeit verantwortet. Auch etwas experimentellere Arbeiten sind so bereits entstanden, wie beispielsweise die Realisation des Passauer Faber Magazins (https://faber-magazin.de/), das sich Lifestyle Inhalten wie Musik oder Gastronomie widmet, aber auch für eine kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischen, gesellschaftsrelevanten Themen steht. Der August Dreesbach Verlag hat seinen Sitz im Münchner Westend, wurde im Jahr 2006 gegründet und verfolgt die Schwerpunktthemen Geschichte und Typografie. Aktuell wird das erste Programm des dazugehörigen Grete & Faust Verlags gelauncht - dessen Untertitel lautet "München. Und Bayern.", was leicht auf das Verlagsprogramm schließen lässt. Hier soll sich dem Fokus bajuwarischer Sehenswürdigkeiten und besonderen Entdeckungen gewidmet werden - gestartet wird pünktlich zur Frankfurter Buchmesse mit einem Kochbuch eines Lokalkoloriten des Viktualienmarktes: Caspar Plautz. Bis es soweit ist, können Sie sich mit "Frankreich und das Weimarer Bauhaus" herrlich die Zeit vertreiben - eine außergewöhnliche, feingesponnene Detektivgeschichte, wie es im Programmvorwort passenderweise beschrieben wird.
August Dreesbach Verlag, München Zwei Bände, Texte (632 Seiten) und Bilder (192 Seiten) Jeweils Broschur mit Fadenheftung 17,5 x 24 cm ISBN 978-3-944334-96-7 38,- Euro Weitere Artikel zum Thema Typografie auf novum.graphics