Ralf Bittner 06.04.2018 | Stand 06.04.2018, 13:01 Uhr
Herford. "Es gibt am rechten Rand nichts, was es nicht gibt", sagt Sören Kohlhuber, freier Fotojournalist aus Berlin mit Themenschwerpunkt "rechte Versammlungen und Aufmärsche", der auf Einladung der Initiative 9. November Bünde und der Kreistagsfraktion der Partei "Die Linke" im Kreishaus aus seinem neuen Buch "Nach dem Sturm" liest. Seine Fotos zeigen Old-School-Skinheads, die aus den 1980ern stammen könnten, er berichtet von schwarzen US-Amerikanern, die sich Seite an Seite mit deutschen Nazis dem Weltjudentum entgegenstemmen und zeigt Wampenträger, die in "Reggae against Communism" T-Shirts, also mit "schwarzer" Musikkultur gegen "links" zu Felde ziehen. Unvergessen ist die rappende Mitinitiatorin der Dügida-Aufmärsche (Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes), Melanie Dittmer. Dügida hat inzwischen aufgegeben, die Zahl der Aufmärsche nimmt ab - andernorts sei Gewöhnung eingetreten. "Bei den allmontäglichen PEGIDA-Demos in Dresden kommen immer noch bis zu 2.000 Teilnehmer, weitgehend unbeachtet von Medien und unbehelligt von Protesten", sagt Kohlhuber. In Ost-Berlin aufgewachsen Er sei in Ost-Berlin in einer Situation aufgewachsen, in der Nazis ganze Schulen und Kieze kontrollierten, der Weg vom Jugendclub gefährlich werden konnte, erzählt er: "Wir mussten wissen, mit wem wir es zu tun hatten." So kam er zu diesem speziellen Zweig der Fotografie. Bis heute geben T-Shirts oder mitgeführte Transparente Auskunft über Strömungen in der rechten Szene und das "Wer mit wem". Zwei Erkenntnisse brachte er mit: "Das Bild vom Springerstiefel tragenden Skinhead als Synonym für 'Rechtsextremismus' ist überholt. Die Szene ist äußerlich viel heterogener geworden" und "Pegida-Aufmärsche und AfD haben die Grenzen zwischen verschiedenen rechtsextremen Lagern von Kameradschaftsszene, über NPD bis weit ins bürgerliche Lager hinein verschwinden lassen." Mit Blick nach Österreich und auf die FPÖ, geht er davon aus, dass es eher früher als später Regierungsbeteiligungen der AfD, vermutlich zuerst in Sachsen oder Sachsen-Anhalt, geben werde. Trotz aller anekdotischen Randbeobachtungen und Abnahme der rechten Aufmarschtätigkeit - Entwarnung sieht anders aus. Mehr als 50 rechte Versammlungen dokumentiert 2016 dokumentierte Kohlhuber mehr als 50 rechte Versammlungen, die meisten in Ostdeutschland, aber auch den so genannten "Tag der deutschen Zukunft" in Dortmund. Der "TddZ" ist ein jährlicher Naziaufmarsch an wechselnden Orten. Der TddZ 2016 mit mehr als 1.000 Teilnehmern war der bis dahin größte. 2018 soll er in Goslar stattfinden. Das Buch stellt den Abschluss einer ungeplanten Trilogie dar. Zuvor waren die Bände "Deutschland deine Nazis" und "Retrofieber" über Naziaufmärsche in den Jahren 2014 und 2015 erschienen. Auch wenn er derzeit mehr mit Lesereisen als mit Fotografieren beschäftigt sei, habe er einige Termine fest eingeplant, darunter die rechte Demonstration "Europa erwache!" am 14. April in Dortmund mit angekündigten Rednern von NPD, "Freien Kräften", der Kleinstpartei "Die Rechte", die im April 2016 vor der Flüchtlingsunterkunft in der Herforder Harewood-Kaserne demonstriert hatte, und aus dem europäischen Ausland. "Ich würde mich freuen, einige von euch da zu sehen", verabschiedet er sich von den 30 Zuhörern.