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Hetze gegen Flüchtlinge mit geringem Widerhall Wegen geplanter Asylheime in Brandenburg regt sich Unmut. Neonazis profitieren davon noch nicht

von Marco Winkler, Eva Schmid,


Gransee/Lübben/Potsdam - Nachdem in Berlin sich vermeintliche Bürgerinitiativen gegen Asylbewerberheime in Stellung brachten, findet dieses Phänomen auch in Brandenburg Nachahmer. In ganz Brandenburg machen derzeit Rechtsextremisten gegen neue Flüchtlingsunterkünfte mobil. Die Sicherheitsbehörden sind gewarnt. Doch welchen Anklang findet die rechte Propaganda bei den Bürgern. Ein Blick übers Land:


Rechte Propaganda im Internet


Egal ob in Pätz, einem Ortsteil von Bestensee (Dahme-Spreewald) oder Gransee (Oberhavel) - zu allen Asylbewerberheimen, die entstehen sollen, gibt es beim sozialen Netzwerk Facebook im Internet auch Seiten von Bürgerinitiativen dagegen. Für das Heim in Pätz hat die Seite bereits mehr Anhänger als der Ort Einwohner hat. Wie viele Einwohner mitmachen, ist unklar. Szenekenner und Sicherheitsbehörden vermuten hinter diesen Initiativen Rechtsextremisten aus der NPD und ihrem Umfeld. Die Initiativen geben sich parteiunabhängig, teilen aber Werbung für die NPD. Zur Bürgerversammlung über ein neues Flüchtlingsheim organisierte die NPD eine Kundgebung, von den hundert Teilnehmern waren zahlreiche Neonazis aus Berlin. Inzwischen mobilisieren die Seitenbetreiber zu einer Demonstration am Samstag in Berlin unter dem Motto „Tag der Meinungsfreiheit" gegen das Asylheim in Hellersdorf. Auch zum Flüchtlingsheim in Gransee mit 80 Bewohnern ab 2014 entstand eine Facebook-Seite, dort finden sich fremdenfeindliche Kommentare von NPD-Funktionären und Neonazis auch aus anderen Regionen, die mit Attacken auf das Heim und die Bewohner drohen. Es gibt auch differenzierte Kommentare für die Unterbringung von Flüchtlingen, die aber allerdings auch zu einem großen Teil gelöscht werden. Von „linker Hetze" und „roten Schlägern" ist die Rede.


Rechte Attacken auf Asylheime


In den letzten Monaten kam es in Brandenburg immer wieder zu Protesten und Brandanschlägen gegen Flüchtlingsheime. Mitte September hatten Unbekannte - laut Polizei wohl Rechtsextremisten - in Premnitz (Havelland) einen Brandanschlag auf ein verlassenes Schulgebäude verübt, das inmitten eines Wohngebietes zu einem Asylheim ausgebaut werden soll. Die Feuerwehr war gerade noch rechtzeitig gekommen. Die Region um Premnitz gilt als rechte Hochburg. Mitglieder von NPD und Kameradschaften waren vor dem geplanten Flüchtlingsheim aufmarschiert. Zuvor hatte es einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Luckenwalde (Teltow-Fläming) gegeben. Der Brandsatz hatte keinen Schaden angerichtet.


Reaktionen der Bevölkerung


Der Umgang der Bürger mit den Plänen für neue Asylunterkünfte ist unterschiedlich. Die NPD hatte etwa zur Sitzung des Kreistags von Dahme-Spreewald am gestrigen Mittwoch eifrig mobilisiert, um die Einwohnerfragestunde mit ausländerfeindlicher Propaganda zu torpedieren. Gelungen ist es nicht. Zum geplanten Aufmarsch vor dem Kreistag in Lübben kamen laut Polizei nur 20 Neonazis. „Es blieb alles ruhig", sagte eine Polizeisprecherin am Abend. Auch in Gransee war die Polizei am Mittwoch mit einem Großaufgebot zu der Informationsrunde für Bürger angerückt. Bekannten Neonazis und NPD-Funktionären blieb der Zugang aversperrt. Viele Bürger von Gransee tun sich aber noch schwer mit dem Asylbewerberheim. Die Bürgerstunde verlief zwar ruhig, aber Applaus für Äußerungen gegen das Heim keimte immer wieder auf. Es ging um die Ängste vor fallenden Grundstückspreisen, vor Müll, vor fehlender Sicherheit, vor Islamisten und Tschetschenen. „Wir sind hier verwurzelt. Wie gehen jeden Morgen joggen, das trauen wir uns doch dann nicht mehr", sagte eine Anwohnerin. Rassistische Äußerungen blieben aus, es herrschte aber Unzufriedenheit mit dem Vorgehen der Kreisverwaltung und die Standortwahl für das Heim. Applaus gab es, als ein Granseer kritisierte, dass die Bürger nicht in die Entscheidung eingebunden worden sind. Ruhig bleibt es allerdings, als jemand sagt: „Niemand will Asylanten, auch nicht in Gransee." In Premnitz waren die Aktionen der Rechtsextremisten zunächst auf Zustimmung bei den Anwohnern gefallen. Nach neuen Informationsveranstaltungen hat sich die Lage beruhigt. Es gibt auch positive Beispiele: In Potsdam etwa gab es zwar Kritik von Bürgern, aber durchaus wohlwollend und konstruktiv. Oder Teltow (Potsdam-Mittelmark): Dort war die Stimmung zwischen Asylsuchenden und Einwohnern meist friedlich. Einziger Zwischenfall waren rassistische Aufkleber, die im September an Straßenschilder und Laternenpfähle geklebt wurden. Beim Protestzug gegen die Propaganda zeigten drei Männer den Demonstranten den Hitlergruß. Einige Teltower engangieren sich für die Flüchtlinge ehrenamtlich. Um ihnen bei Integration zu helfen, bildete sich auch eine sogenannte „Willkommens-AG". Im Rathaus gab es ein Willkommensfrühstück.


Marco Winkler, Eva Schmid,Sören Kohlhuber, Ney Sommerfeld, Lukas Berg, Alexander Fröhlich

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