Kat, du hast 2016 die Moderation eines Festivals abgesagt, weil du die einzige Frau im Line-Up warst. Nun engagierst du dich bei Keychange dafür, dass der Frauenanteil auf Festivals auf 50 Prozent steigt. Warum ist dir dieses Thema so wichtig?
Kat Frankie: Aus zwei Gründen: Musikerinnen brauchen einen besseren Zugang zu Jobs. Die werden ihnen bei Festivals oft nicht geboten. Sie verdienen also kein Geld, können ihre Karrieren nicht weiterführen. Das Zweite: Viele Festivals sagen: "Wir finden keine Frauen, das ist total schwer!" Da sage ich: Ihr müsst einfach mehr tun.
Alexander Schulz: Die Kernidee von Keychange ist, Musikerinnen und Frauen im Musikbusiness zu stärken. Es gibt auch ganz egoistische und pragmatische Gründe, für Gleichberechtigung zu sorgen: Die Musik insgesamt würde sich verbessern.
Warum?
AS: Weil Frauen und Männer in dieser Welt mit dem gleichen Musiktalent geboren werden. Wenn das ganz oben nicht ankommt, in der Wirtschaft nicht, bei den Rezipienten nicht, dann wird künstlich etwas unter Verschluss gehalten.
Kritiker sagen: Nicht das Geschlecht soll entscheiden, sondern die Qualität.
AS: Männer haben aber viel höhere Chancen, auf Festivals gebucht zu werden ...
KF: ... und je mehr Shows sie spielen, desto besser werden sie und sie verdienen mehr. Dann ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Männer erfolgreich sind, unterstützt von männerdominierten Strukturen. Würden wir die Ressourcen gerechter verteilen, würden viele weibliche Bands profitieren. Es ist ein sehr einfacher Weg: Gebt Musikerinnen Arbeit und bezahlt sie vernünftig!
Wer ist denn Schuld daran, dass nur so wenige Musikerinnen auf Festivals spielen? Die meist männlichen Booker?
KF: Ich glaube, man kann jetzt nicht nur denen die Schuld geben. Das ist oft ein unterbewusstes Vorurteil. Sie denken oft gar nicht drüber nach.
AS: Eine weibliche Bookerin aus England sagte mir einmal, dass der Markt so stark von Männern dominiert ist, dass sie den wirtschaftlichen Erfolg ihres Festivals dadurch gefährdet, wenn sie für ein großes Festival Frauen als Headliner bucht.
KF: Bei den ersten fünf Namen auf dem Festivalposter, ok - da müssen die Booker vielleicht auf die großen Namen setzen. Aber da, wo die Schrift immer kleiner wird, findet man komischerweise oft Bands, die aus vier Rocktypen mit Gitarre bestehen. Warum kommen selbst da so wenige Frauen vor?
Welche Festivals sind denn vorbildlich?
AS: Das "Way Out West" in Göteborg ist ziemlich weit vorn. Beim letzten Mal im August 2017 hatten sie 60 Prozent Frauenanteil bei den Headlinern. Die haben auch eine Chef-Bookerin.
26 Prozent - so wenig Frauen spielten auf großen Festivals 2017 in England. Wie ist es beim Reeperbahn Festival?
AS: Wir müssen noch besser werden! 2017 hatten wir eine Frauenquote von 38 Prozent im Konzertprogramm. Bei der Konferenz waren es 42 Prozent Speakerinnen. Wenn wir unser Tempo beibehalten, sind wir nicht mehr so weit weg von unserem Ziel: 50 Prozent.
KF: Ich würde gern noch mehr Bands sehen mit Bassistinnen und weiblichen Drummern. Das sind die Vorbilder, die junge Mädchen ermutigen, ein Instrument zu lernen. Ich glaube an die Idee "If you can see it, you can be it". Als ich jung war, dachte ich, Ani DiFranco ist die Coolste!
Wie reagiert euer Umfeld auf das, was ihr macht?
KF: Viele männlichen Kollegen reagieren auf Keychange eher so lauwarm (lacht). Sie denken, das betrifft sie nicht und falls doch, dann eher im negativen Sinne, sprich: Sie kriegen weniger Jobs ab. Aber es gibt natürlich auch Leute wie Clueso und Olli Schulz, die das anders sehen.
AS: Es gibt noch eine große Distanz gegenüber der Idee.
KF: Viele wollen sich nicht die Mühe geben, etwas zu verändern.
AS: Ich bin aber optimistisch, dass wir auf Künstlerseite innerhalb einer Generation etwas verändern können. Anders sieht das auf Unternehmerseite aus - das wird noch länger dauern.
Interview Simone Deckner
Infobox ANCHOR 2018 - Keychange
Der „Keychange Inspiration Award" wird am Do, 20.09.2018 um 17:30 Uhr im Rahmen des Reeperbahn Festivals vergeben!