SAPRALOTT: "POLIZEIINSPEKTION 1 - DIE KOMPLETTE SERIE", Koch Media, 30 DVDs, 85,99 EUR
Ein Wiedersehen mit der Mama Bavaria aller BR-Kultserien "Polizeiinspektion 1". Mit dabei der unvergessene Walter Sedlmayr in der Rolle seines Lebens: Als polternder Chefgrantler (Franz Schöninger) der Beamtenstube in Sendling hat er jahrzehntelang das öffentliche Bild des bayerischen Polizisten geprägt - weit über die Weißwurstäquatorgrenze hinaus. Unterstützt wird er - mehr symbolisch als tatsächlich - von seinen Einsatzkollegen Heinl Helmut (ein blutjunger Elmar Wepper) und dem gemächlich-legeren Moosgruber Bertl (Max Grießer als Hobbymaler mit Nebenberuf Polizist). Gespickt mit der ersten Garde bayerischer Volksschauspieler (u. a. Brenner, Singerl, Brem, Harlander oder Obermayr) und Bildern aus einer längst verschwundenen Nachkriegsstadt namens München, nehmen einen die zehn Staffeln unweigerlich mit auf eine Zeitreise in die wild-anarchischen 70er Jahre: frech der Humor, ironisch die Protagonisten und mit bester volkstümlicher Unterhaltung, ohne je volkstümelnd zu werden. Statt mit Knarren und Blaulicht werden hier die Fälle noch mit Brezn und Spaziergängen gelöst. Oder durch bloßes Abwarten, versüßt mit frischem Bier und Obazdn. Unfreiwillig komische Mithilfe garantiert auch stets die selbst ernannte Straßenermittlerin Frau Gmeinwieser (Rose Mayr) in mehr als fünfzig Kurzauftritten. Gekrönt durch zahlreiche Gaststars (u. a. George, Halmer und eine verführerische Uschi Glas) und erfahrene Fassbinder-Clan-Mitglieder (Helen Vita, Ruth Drexel oder Peter Kern als Opernsänger!) schufen die Macher in 130 Folgen nicht weniger als den Mythos des modernen München.
SIMON HAUCK
RADIKAL SURREAL: "DIE FILME VON ALEJANDRO JODOROWSKY", Bildstörung, 6 DVDs; 57,99 EUR
Er war der cineastische Hexenmeister der Counter-Culture der späten Sixties, der Kreator maximus des Midnight-Movies in den USA und hätte einstmals statt David Lynch "Dune" inszenieren sollen: Alejandro Jodorowky, die personifizierte Sphinx des Underground-Kinos. "Die meisten Regisseure machen Filme mit ihren Augen. Ich mache Filme mit meinen Eiern", so der in Bolivien geborene Sohn russischer Einwanderer, der lange in Chile lebte und mit Marcel Marceau als Pantomime in Paris begann, über sein Credo als Regisseur. Entsprechend bunt, laut, exzessiv und im besten Sinne fordernd sind auch seine wenigen Filme, von denen in diesem Jahr vom Kölner Label Bildstörung drei Jodorowsky-Klassiker digital vorzüglich restauriert wurden: "Der heilige Berg", in dem ursprünglich John Lennon (!) die Hauptrolle als psychedelische Heilandsfigur übernehmen sollte, der es wortwörtlich gelingt, aus Scheiße Gold zu machen. Dazu der grotesk überzogene Anti-Kunst-Western-Trip "El Topo" mit dem mysteriösen schwarzen Rächer auf dessen bizarrem Weg hin zur Erleuchtung. Und als besonderes Glanzlicht der überbordenden Edition die surreale Schwarz-Weiß-Fantasie "Fando und Lis", der nur so vor Dalí-, Buñuel- und John-Waters-Zitaten strotzt. Radikaler ging es selten zu im Weltkino: kein Wut-, sondern ein Mut-Filmer!
SIMON HAUCK
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