Von SIMON HAUCK
Bühne frei für den König der (Selbst-)Inszenierung: Udo Kier. Der Mann mit den stahlbauen Augen ist nicht nur eines der wenigen deutschen Filmgesichter, das international erkannt wird, sondern er glänzt auch seit Jahren als passionierter Kunstkenner abseits des Filmsets. Renommierte Musenpaläste sind im bestens vertraut, ob das Städel in Frankfurt am Main, das Centre Pompidou in Paris oder das Louisiana Museum bei Kopenhagen. Doch nicht allein die Tempel der Künste haben es ihm zeitlebens angetan, schon längst ist er selbst Teil der globalen Kunstszene geworden. Genau davon erzählt der essayistisch gehaltene Dokumentarfilm "Arteholic" von Hermann Vaske, der in seinen Arbeiten schon andere kunstaffine Weltstars wie David Bowie oder Dennis Hopper vor die Kamera geholt hat.
In die Kette jener Kenner der Gegenwartskunst reiht sich Kier in Vaskes Film nahtlos ein, weil er sie schlichtweg fast alle persönlich kennt (z.B. Polke, Meese) oder schon vor Jahrzehnten mit ihnen im Privaten wie ihm Künstlerischen (u.a. Mapplethorpe, Hockney) eng verbandelt war: Andy Warhol, der ihn bereits 1974 in dessen legendärem "Dracula"-Film ("Blood for Dracula") prominent besetzt und mehrfach in seine New Yorker Factory eingeladen hatte. Oder Rosemarie Trockel, die dem Schauspielstar seit seinen Anfängen als Kellner in Köln besonders nahe steht. Nicht zuletzt auch wegen der großen Liebe zu Hunden, die beide Künstler pflegen. Kier vergöttert seine Hündin "Greta" und telefoniert regelmäßig mit allen Vierbeinern, auf die sein Freund in den USA als Hundenanny aufpassen darf. Doch auch politisch hatten sich die beiden mehrmals zusammengetan, um beispielweise gegen den Abriss des Kunstforums in der rheinischen Domstadt via Kunstperformance zu protestieren.
Dazu sieht man schwarzweiße Schattenbilder in grobkörniger Videooptik. Einen sichtlich gealterten Kunstbetonbau der 1970er Jahre. Davor der gebürtige Kölner in schwarzer Lederjacke und mit Sonnenhut, einen Kunstdialog rezitierend, der um Sinn und Unsinn der Auflehnung kreist. Vaskes Filmexperiment, das glücklicherweise erst gar nicht den Versuch eines klassischen Künstlerportraits wagt, überzeugt durch einen kunstvoll arrangierten Bildermix verschiedener Filmmaterialien und Lichtstimmungen. Besonders überraschend ist die audiovisuelle Ebene dieses Experimentalfilms: Harte Celloklänge treffen auf sphärische Momente, Zitate aus Schillers "Glocke" überlagern freistehende O-Ton-Passagen zwischen den Gesprächspartnern. Oder es passiert eben: Nichts. Ironisch eingesetzt in der kurzen Begegnung zwischen den Zeitungslesern Kier und Lars von Trier, einem anderen enfant terrible des Weltkinos. Und im Fokus der meisten Mini-Szenen immer wieder der lässig performende Kier selbst: Als Straßenpassant, wartend im Bahnhof, auf der Freud'schen Therapeutencouch liegend oder auf eine von Giacomettis Riesenskulpturen stierend. In den unzähligen Anekdoten um Kippenberger, Baselitz oder Warhol blüht auch stets angenehm der süffisante Entertainer in Kier auf. In toto kein elitärer Kunstgenuss, sondern süchtig machende Filmkunst.