Die gelernte Bibliotheksfacharbeiterin ernährt sich zu 85 Prozent vegetarisch und greift, wenn der Stress überhand nimmt, auf die Fahrdienste einer Rentnerin zurück. Fernab ihrer Mission, Sachsen-Anhalt bunter und fröhlicher zu gestalten, paddelt das Organisationstalent aus Dessau den Sorgen am liebsten auf der Elbe davon. Uns verrät die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag außerdem, ob Feine Sahne Fischfilet sie überzeugen konnte und was sie vom Essen in der Landtagskantine hält.
Interview: | Fotos: Katharina Gebauer und Juliane Schulze und Simeon Laux Simeon Laux
"Wir wollen nicht das Fleisch essen verbieten. Wir möchten, dass man hinterfragt und nachdenkt, woher es kommt."
Parallel zu Ihrem Studium haben Sie das Wahlkreisbüro der Bundestagsabgeordneten Steffi Lemke geleitet. Das war sicher sehr zeit intensiv, wie haben Sie das mit Ihrem Studium vereinbaren können? Anfangs war es eine Teilzeitstelle. Auch bei uns in der Fraktion haben wir studentische Mitarbeiter, die bis zu 19,5 Stunden pro Woche arbeiten und so fing ich ebenfalls an. Erst als ich dann mit dem Studium fertig war, hatte ich eine Vollzeitstelle. Also, nicht ungewöhnlich. Für mich war es einfach eine gute Bereicherung, es gab viele spannende Einblicke, 1998 habe ich die dreitägige Wahlkampftour für Joschka Fischer durch Sachsen-Anhalt organisiert. Den ganzen Tag war er damals auf Achse, und das über mehrere Wochen. In dem Sinne habe ich das auch gar nicht als Arbeit angesehen, das Organisatorische liegt mir einfach.
"Ich ernähre mich zu 85 Prozent vegetarisch."
Im vergangenen Jahr waren Sie Schirmherrin des Fahrrad-Aktionstags in Magdeburg. Welche Entwicklungen wünschen Sie sich im Hinblick auf eine fahrradfreundliche Stadt? Da haben wir noch einiges zu tun. Generell wünsche ich mir, dass man von der Autozentriertheit wegkommt. Fußgänger und Radfahrer sollten als ebenbürtige Verkehrsteil nehmer angesehen werden. Es sollte immer möglich sein, ohne große Umwege mit dem Fahrrad von A nach B zu kommen, ohne zwangs läufig das Auto zu benutzen. Wir brauchen auch ganz praktische Sachen wie gute Abstellmöglichkeiten. Für den nächsten Haushaltsplan ist ein Förderprogramm für Lastenräder geplant. Viele wollen mit dem Fahrrad fahren, aber die Bedingungen sind momentan noch nicht gut genug, da müssen wir was tun!
Ich versuche das immer zu verbinden. Wenn es geht, fahre ich mit dem Zug und lasse mein Fahrrad am Bahnhof stehen. In Halle oder Dessau kann ich aber kein Fahrrad über Nacht stehen lassen, dann hab ich am nächsten Tag nur noch ein halbes. Wie präsent ist Fahrradfahren in Ihrem Alltag? (lacht) Besonders im Politikberuf, in dem man die meiste Zeit sitzt, ist es einfach wohltuend, sich auf kleinen Strecken mal zu bewegen. Das nutze ich für Termine außerhalb, zu denen ich nicht unbedingt mit dem Auto fahren muss.
"Trotz mancher Schwierigkeiten will ich nach vorne schauen."
In vier Worten, wie würden Sie persönlich die Menschen in Sachsen-Anhalt beschreiben? Vorsichtig. Interessiert. Kreativ. Dankbar.
Auf Ihrem YouTube-Kanal haben Sie vor wenigen Monaten ein vegetarisches Rezept zum Weltvegetariertag hochgeladen. Ernähren Sie sich selbst auch vegetarisch? Ich ernähre mich zu 85 Prozent vegetarisch. Es kommt schon mal vor, wenn ich weiß woher das Fleisch kommt, dass ich beim Grillen oder zu Weihnachten etwas Fleisch esse. Je weniger es wird, desto weniger schmeckt mir das und ich vermisse es kaum. Es gibt viele tolle vegetarische Rezepte. Mein Sohn ist Veganer, somit muss ich mich nochmal ganz anders damit beschäftigen, was ich esse und koche. Viele Sachen sind wirklich vegan. Eine vegane Suppe ist super einfach zu kochen. Wir machen uns oft den Spaß, wenn Gäste da sind, sagen wir dann: Hey, das war übrigens vegan.
Bei Am Sonntag sind Sie im Freischütz in Dessau, vor ein paar Wochen waren Sie noch bei Feine Sahne Fischfilet. Wo fühlen Sie sich besser aufgehoben? Feine Sahne Fischfilet war ich eher skeptisch. Das habe ich auch allen im Bauhaus gesagt. Ich dachte, das wäre so gar nicht meine Musik. Ich war dann sehr überrascht, als ich dort war, das hört sich zum Teil wie bei den Toten Hosen an und das ist so meine Welt, da gehe ich gerne hin. Ich bin da relativ breit aufgestellt und auch sehr gespannt auf den Freischütz. Die Inszenierung in Dessau wurde sehr gelobt.
Januar 2019 Interview aus INTER.VISTA 7
Cornelia ›Conny‹ Lüddemann, Jahrgang 1968, wuchs in Dessau auf. Sie absolvierte eine Ausbildung zum Bibliotheksfacharbeiter und studierte anschließend Erziehungswissenschaften in Halle. Nach mehreren Jahren als Geschäftsführerin des Landesfrauenrats Sachsen-Anhalt wechselte sie hauptberuflich in die Politik. Seit 2011 sitzt sie im Landtag und übernahm für fünf Jahre den Landesvorsitz der Grünen, seit 2016 ist sie Fraktionsvorsitzende ihrer Partei. Die typischen Sachsen-Anhalter beschreibt sie mit den Worten vorsichtig, interessiert, kreativ und dankbar. Außerdem hat sie die Patenschaft für Eseldame ›Bella‹ übernommen und trinkt neben Leitungswasser auch mal gerne einen Gin Tonic.