Everlyne Krünes, geborene Ocharo, kann Spätzle und Schweinebraten mit "schöner knuspriger Haut" kochen, sie hat zwei Dirndl im Kleiderschrank und spricht Deutsch mit bayerischem Akzent. Trotzdem ist sie, gelernte Buchhalterin aus Kenia, 30 Jahre alt, lange Zeit eine Ausgeschlossene gewesen. Eine, die nicht ankommen durfte in der deutschen Arbeitswelt. Um das zu ändern, brauchte sie 420 Euro für ein Stück Papier und sehr viel Hartnäckigkeit.
Everlyne Krünes streift den Wintermantel ab und hängt ihn in den Spind, greift nach ihrem Namensschild und steckt es sich an die weiße Bluse: "Universitätsklinik München, Christophorus Akademie" steht darauf. Ihr Arbeitsplatz.
Sie ist an diesem Morgen eine halbe Stunde zu früh dran, weil sie befürchtet hatte, wegen des starken Schneefalls zu spät zu kommen. Trotzdem fährt sie sofort den Computer hoch, sortiert die Kursunterlagen und trägt ein riesiges Blumengesteck in den Seminarraum. In der Mitte des Sitzkreises soll es liegen. Krünes ist Bürokauffrau und koordiniert Kurse, in denen sich Pflegekräfte in der Palliativmedizin und Hospizarbeit weiterbilden können.
"Everlyne, die Teilnehmerliste ist nicht da!", ruft einer der beiden Kursleiter. "Ist alles in der blauen Box. Vergiss nicht, jeden unterschreiben zu lassen. Die Liste muss ich dem Gesundheitsministerium vorlegen." - "Ist gut." - "Drei Teilnehmer haben angerufen, sie kommen später wegen des Schnees." - "Weiß ich Bescheid. Danke, Everlyne."
Bis vor einem Jahr war Everlyne Krünes noch arbeitslos. Davor hatte sie als Aushilfe Regale im Supermarkt einsortiert, Nudeltüten und Zuckerpäckchen nachgefüllt, obwohl sie für mehr ausgebildet worden war und schon in besseren Positionen gearbeitet hatte.
Knapp drei Millionen Beschäftigte in Deutschland haben ihre Ausbildung im Ausland absolviert. Viele von ihnen arbeiten hier unter ihrer Qualifikation, sie sind vom Ingenieur zum Paketzusteller, vom Arzt zum Taxifahrer, vom Lehrer zum Tellerwäscher abgestiegen. Ihre Berufsausbildung war in Deutschland nichts wert. Deswegen wurde im vergangenen Frühjahr das Anerkennungsgesetz erlassen. Angesichts des akuten Fachkräftemangels hatten endlich auch die Politiker erkannt, dass man es sich nicht länger leisten konnte, Talente zu verschleudern, während deutsche Betriebe händeringend nach gut ausgebildetem Nachwuchs suchen.
Das Bundesbildungsministerium ging damals, zum Start des Anerkennungsgesetzes, von einem wahren Ansturm aus. Man rechnete mit "300.000 Antragstellern aus allen Berufsgruppen". Ein Jahr später aber sind Erfolgsgeschichten wie die von Everlyne Krünes noch immer die Ausnahme.