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Formel 1: So planen Porsche und Audi den Einstieg, welche Rolle Netflix spielt

Ferdinand Piëch († 82) hatte einen Ruf: Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns sagte immer klar seine Meinung und ließ sich von seinem Weg nicht abbringen. Nur beim Thema Formel 1 war das anders. Im Januar 2001 bezeichnete Piëch einen Einstieg als „Unsinn". Neun Monate später, im Oktober 2001, revidierte er seine Meinung, sagte gegenüber der „Welt", dass er sich einen Start in der Königsklasse des Motorsports doch vorstellen könne. Bis zu seinem Tod 2019 kam es nicht dazu. Das ändert sich nun.

VW will in die Formel 1, und die Formel 1 will VW. Der Konzern soll ein weiteres Zugpferd neben den bisherigen Werks-teams Mercedes, Ferrari und Alpine (Renault) werden. Ab 2026 wollen die Wolfsburger einsteigen und zwar gleich mit zwei Marken: Audi und Porsche. Der VW-Aufsichtsrat hat vergangene Woche dafür grünes Licht gegeben. Die letzte Hürde ist die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit. Eine Formalie.

Während es für Audi die ersten Schritte in der Königsklasse des Motorsports wären, würde es für Porsche die Rückkehr in die Formel 1 bedeuten. Zwischen 1961 und 1964 hatten die Stuttgarter ein eigenes Team. Von 1983 bis 1987 und 1991 lieferte Porsche Motoren. 2010 gab es bereits Pläne für eine Rückkehr in die Formel 1, man hatte sogar Prüfstände gekauft. Umgesetzt wurde die Idee aber nie. Bis jetzt!

Porsche befindet sich mit Red Bull in fortgeschrittenen Verhandlungen. Red Bulls Motorsport-Boss Helmut Marko (78) sagt: „Was die Zukunft angeht, sind wir die attraktivste Braut in der Formel 1." Die Parteien verhandeln über eine Kooperation. Geplant ist, dass Porsche in die Motorenabteilung des Brause-Rennstalls einsteigt.

Bis 2026 wird das Team von Weltmeister Max Verstappen (24) beim Aufbau der vor Kurzem gegründeten Antriebs-Abteilung noch vom langjährigen Partner Honda unterstützt. Zum Start der neuen Motoren-Generation soll Porsche übernehmen und neben Red Bull auch Schwester-Team Alpha Tauri ausstatten.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner (48) sagt: „Es ist sehr einfach, sich an einen neuen Motorenlieferanten anzupassen. Aber es muss der richtige Partner sein."

Für die Anpassung bleibt nicht viel Zeit. Zwar kann sich Red Bull durch den Honda-Deal bis 2026 voll auf den Aufbau der neuen „Powertrain Unit", für die bisher alleine rund 50 Mitarbeiter von Mercedes abgeworben wurden, konzentrieren, doch für die Entwicklung eines Motors ist das ein ambitionierter Zeitplan. Der sieht vor, dass der Rennstall erstmals seinen eigenen Verbrennungsmotor baut und Porsche mit seinem Wissen beim Elektro-Teil unterstützt.

Dabei vermuten Mercedes & Co., dass sich Red Bull einen doppelten Vorteil verschaffen will. Beim Weltverband Fia wird überlegt, ob dem neuen Motorenhersteller der Einstieg mit mehr Spielraum beim Budgetdeckel und mehr Prüfstandszeit erleichtert werden soll. Die Befürchtung von Mercedes, Ferrari und Renault ist, dass nicht nur Porsche, sondern auch Red Bull mit seiner neu gegründeten Antriebs-Abteilung dieses Privileg genießen könnte und so die doppelte Zeit zur Verfügung hätte. Ein massiver Vorteil. Erste Anzeichen dafür gibt es. Beim Australien-Rennen sprach Horner von Red Bull als „Neuling".

Bei Porsche bewertet man den bevorstehenden Einstieg als Hauptgewinn. Mit Red Bull gewinnt man nicht nur eines der absoluten Top-Teams als Partner, sondern kann das Wissen unter anderem im Umgang mit synthetischen Kraftstoffen auch für seine Premium-Straßenflotte nutzen.

Die Audi-Bosse wären bereit, noch einen Schritt weiter zu gehen. Die Ingolstädter überlegen, nicht nur Motorenlieferant zu sein, sondern Anteile an einem Team oder gar ein eigenes Werks-team zu stellen. Das bringt mehr Freiheiten mit sich. Formel-1-Boss Stefano Domenicali (56) schloss bereits im Dezember in SPORT BILD nicht aus, dass in Zukunft ein elftes Team an den Start gehen könnte, wenn man dafür einen großen Namen für sich gewinnt. Audi wäre so einer.

Wahrscheinlicher bleibt aber zunächst eine Kooperation mit Williams, McLaren oder Alfa Romeo (besser bekannt als Sauber), mit denen über einen Einstieg verhandelt wird. Klar ist: Die Ingolstädter wollen Einfluss und Präsenz. Genau das ist der Knackpunkt. Die VW-Tochter will für das Finanzpaket, das für die ersten fünf bis zehn Jahre bis zu eine Milliarde Euro schwer sein kann, Mitspracherecht unter anderem beim Bau des Autos. Die Teams wissen, dass sie durch den Boom der Rennserie am längeren Hebel sitzen, und wollen sich nicht unter Wert verkaufen.

Die heißeste Spur führt aktuell zu Sauber. Finn Rausing (66), dem das Schweizer-Team gehört, schließt einen Verkauf nicht aus. Zumal der schwedische Milliardär, der in der Verpackungs-Industrie sein Geld verdient, dabei nicht auf den größtmöglichen Gewinn aus sein soll. Die Verhandlungen, bei denen die Audi-Bosse eigentlich bereits deutlich weiter sein wollten, könnten bald Fahrt aufnehmen. Auch spannend: Audi-Vorstand Markus Duesmann (52) hat eine Sauber-Vergangenheit, war von 2007 bis 2010 Entwicklungsleiter bei BMW Sauber in der Formel 1.

Einer der großen Treiber bei VW für den Formel-1-Einstieg ist Herbert Diess (63). Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen-Gruppe ist großer Fan der Rennserie. Zumal Diess bewusst ist, dass sich die Formel 1 in den vergangenen Jahren rehabilitiert hat und wieder ein attraktiver Zielmarkt geworden ist. SPORT BILD weiß: Im VW-Vorstand wurde auch über die Netflix-Doku „Drive to Survive" gesprochen. Die Bosse sind beeindruckt, wie das Interesse an der Formel 1 insbesondere im amerikanischen Markt durch den Streaming-Anbieter gestiegen ist.

Bis zu einer offiziellen Bestätigung wird es noch dauern. Audi und Porsche wollen erst die finale Fassung des Motoren-Reglements abwarten, bevor sie fest zusagen. Ein taktischer Schachzug, um Druck ausüben zu können und gemeinsam mehr Mitspracherecht zu haben. Spätestens Ende Juni soll aber Klarheit herrschen - über 20 Jahre, nachdem sich Piëch einen VW-Einstieg in die Königsklasse doch hatte vorstellen können.

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