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George Russell: So tickt Hamiltons neuer Kollege

Noch fährt George Russell für Williams. Ab 2022 geht er für Mercedes an den Start, fährt dort dann an der Seite des Serienweltmeisters Lewis Hamilton Foto: Formula 1 via Getty Images

2022 greift er bei Mercedes nach den Sternen!

Mit George Russell (23) hat der Rekordweltmeister seinen Kronprinzen gekürt. BILD am SONNTAG traf den Briten mit den auffällig dichten Wimpern zwischen zwei Trainingseinheiten: Wer sind Sie eigentlich, Herr Russell?

Der junge Brite lehnt lässig am Truck seines Noch-Rennstalls Williams. Seine Gesten - offen und einladend. Seine blau-grünen Augen - glasklar. Während die BamS-Reporter mit ihm sprechen, umschwirrt ihn ein TV-Team. Es ist klar: Er ist der Mann der Stunde.

Geboren wurde George William Russell am 15. Februar 1998 in King's Lynn, unweit der Nordsee. Mit fünf Jahren kam er in die Schule, doch das Interesse hielt nicht lang: Mit acht entdeckte er durch seinen großen Bruder Benjy das Kartfahren. Es wurde zu einer richtigen Familien-Unternehmung mit Vater Steve und Mutter Alison, denen eine große Landwirtschaft gehört.

Russell: „Mein Vater war oft schon früh am Morgen arbeiten und kam erst spät nach Hause. Aber sobald er Freitagabend nach Hause gekommen ist, sind wir ins Auto gesprungen und Kartfahren gegangen. Meine Mutter kam immer mit. Sie hatte einen Notizblock, in dem sie all unsere Setups notiert hat: Zeiten, Reifendruck, Motor ..."

Schon damals in der Wisbech Grammar Schule war sein Talent unverkennbar: Bei einer Design-Technologie-Aufgabe sollten die Schüler ein Auto entwerfen, um zu sehen, welche Reichweite eine Batterie schafft. Was Russell interessierte war, wie schnell das Auto fahren kann.

2022 fährt er nun eines der schnellsten Formel-1-Autos aller Zeiten.

Große Träume hatte er schon immer: „Als ich jung war, glaubte ich, alles erreichen zu können - auch zum Mond fliegen."

Die Bodenhaftung verlor er trotzdem nicht, sagt er: „Mit etwa 15 habe ich gemerkt, dass das Leben nicht so einfach ist und es unglaublich schwer werden würde, in die Formel 1 zu kommen. Es gibt nur 20 Fahrer. Damit ich da reinkomme, muss ein großartiger Fahrer gehen. Dass ich das früh verstanden habe, hat mir geholfen."

Früh zog er von zu Hause aus, lebte allein in der Nähe der Fabrik. Er kochte selbst, wie auch heute noch. Am liebsten Reis und Gemüse mit Fisch oder Hähnchen, dazu Olivenöl.

Russell formuliert präzise und mit Bedacht in klarem British English. Sein Blick - immer fokussiert. Es wirkt, als beherrsche er eine besondere Kunst: eine sehr feine Linie treffen. Außerhalb des Cockpits zwischen Selbstbewusstsein und Überheblichkeit. Im Cockpit geht er bis ans Limit, nie drüber hinaus. Sein Motto: „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass jemand Nein sagt."

Legendär ist die Powerpoint-Präsentation, mit der er sich fürs Mercedes-Junior-Programm vorstellte.

Russell: „Ich hatte Toto (Mercedes-Teamchef Wolff; d. Red.) im Dezember 2014 gemailt, ziemlich spät am Abend, ihm meinen Lebenslauf geschickt und dass ich mich gern mit ihm treffen würde. Das Schlimmste, was hätte passieren können, ist, dass er nicht zurückschreibt. Aber nur 15 Minuten später antwortete er: ‚Lass uns einen Termin vereinbaren.'"

Seine direkte, beinahe furchtlose Art brachte ihn auch zu Williams in die Formel 1: „Ich bin in den Hospitality-Bereich gegangen und habe um ein Treffen mit Claire (Williams, damals Teamchefin; d. Red.) gebeten. Diese Mentalität hat mir auf meinem Weg sehr geholfen. Meine Eltern haben immer gesagt, du musst hart arbeiten für deine Träume. Du bekommst vom Leben nur zurück, was du gibst. Die Formel 1 ist so weit weg, du musst nach den Sternen greifen. Wenn du nicht immer 120 Prozent gibst, hast du keine Chance."

Er gab 120 Prozent - und mehr!

Russell: „Diese Einstellung habe ich noch immer. Den Mercedes-Vertrag zu unterschreiben, war einer der größten Momente in meinem Leben. Es ist aber nur ein Schritt. Die wirklich harte Arbeit kommt erst noch. Für ein Team wie Mercedes und neben Lewis Hamilton zu fahren - wenn ich denken würde, das wäre einfach, wäre ich töricht. Ich freue mich, weiß aber auch, dass es jetzt erst so richtig losgeht. Das wird die größte Herausforderung, der ich mich je gestellt habe."

2022 fährt er an der Seite eines siebenmaligen - bis dahin vielleicht achtmaligen - Weltmeisters und sitzt in einem der stärksten Autos der Formel 1. Da, wo er immer hinwollte. 120 Prozent wird er weiter geben - und das wird auch nötig sein, um an der Spitze mithalten zu können.

Im unterlegenen Williams war die Fallhöhe nie groß. Das ändert sich nächstes Jahr. Trotzdem will er weiter nach oben.

Russell: „Ich weiß, was es gebraucht hat, hierherzukommen. In die Formel 1 zu kommen, ist nicht das Ende. Mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden."

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