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Teure Vorbereitung ohne Aussicht auf einen Studienplatz

illustratoin: armin karner

Mit den Aufnahmeprüfungen wächst der Markt für kostenpflichtige Vorbereitungskurse. Das Wissenschaftsministerium ist gegen die Kurse, Studentenvertreter sehen darin soziale Selektion


Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, wenn man blind eine Kugel mit einer Zahl darauf aus einer Urne nimmt und sie zurücklegt, dieselbe zu ziehen? Das musste Marie recht oft berechnen. Die Maturantin besuchte im Sommer einen Vorbereitungskurs für die Aufnahmeprüfung des Psychologiestudiums. An vier Terminen wollte sie alles Nötige für den dreiteiligen Test lernen: psychologisches Wissen, Englisch und eben Methodik. "Bei der Prüfung kam keine einzige Wahrscheinlichkeitsrechnung", sagt Marie.

Dennoch würde die 18-Jährige den Kurs empfehlen: "Wenn man vorher aus dem Buch gelernt hat, ist es eine gute Vertiefung." Eine Probeklausur schloss den Kurs ab. Allerdings ohne Feedback, wie Marie bedauert. Sie wollte "alle möglichen Angebote nutzen, um die Prüfung zu schaffen". Zusätzliche Bücher, Onlinekurse und Vorbereitungstests - alles um etwa 450 Euro - sollten den Weg zum Traumstudium ebnen.

Die Antwort des Marktes

Seit 2005 gibt es zugangsbeschränkte Studiengänge. In vielen Fällen müssen Studienanwärter eine Aufnahmeprüfung bestehen, um studieren zu dürfen. Die Antwort des Marktes: Vorbreitungskurse für die Prüfungen. "Diese kostenpflichtigen Kurse verschlechtern die soziale Durchmischung an den Unis", sagt Martha Eckl, Referentin für Hochschulpolitik der Arbeiterkammer. Für Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien seien die Vorbereitungskosten für einen Aufnahmetest "eine Investition, die sich nicht lohnt". "Die Kursinstitute sagen zwar, dass sich das auszahlt, aber es gibt keine konkreten Zahlen über tatsächliche Erfolgsquoten", sagt Eckl.

Bereits die Lernmaterialien seien für manche eine große Investition. Nach einem Entwurf für das neue Universitätsgesetz, sollen daher Lernunterlagen künftig gratis zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollen Aufnahmeverfahren niemanden mehr aufgrund des Geschlechts oder seiner sozialen Herkunft diskriminieren. Die Unis sind zuständig dafür, dass das eingehalten wird.

Auch sollen die Tests so gestaltet sein, "dass keine zusätzlichen Kurse zu absolvieren sind", heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. "Wir müssen schauen, dass Kinder von Nichtakademikern oder Migranten häufiger studieren", sagt Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner ( ÖVP) dem UniSTANDARD.

"Schieflage" in der Medizin

Erhebungen des Ministeriums zeigen "keine Verschlechterung der sozialen Zusammensetzung" durch die Einführung der Zugangsbeschränkungen. Ein Sonderfall sei die Medizin: Hier gebe es eine "Schieflage" der sozialen Zusammensetzung zugunsten bildungsnaher Studierender. Diese Situation gab es aber schon vor der Einführung der Beschränkungen.

"Je länger Zugangsbeschränkungen in Kraft sind, desto selektiver wirken sie", entgegnet ÖH-Vorsitzender Philip Flacke (FLÖ). So hätten die Kursinstitute Zeit, die Lernunterlagen besser an die Tests anzupassen. "Wenn man Kurse macht, hat man einen Vorteil gegenüber jenen, die sich das nicht leisten können oder keine Zeit dafür haben, weil sie arbeiten oder Kinder betreuen müssen."

Die finanziellen Mittel, die Studienanwärter für Aufnahmetests aufwenden, sind laut Studien des Wissenschaftsministeriums zwischen 2009 und 2014 stark gestiegen. Gaben 2009 nur 3,8 Prozent der Studienanwärter über 500 Euro aus, waren es im vergangenen Jahr 25,9 Prozent. Die Medizinanwärter zahlen dabei am meisten: Bis zu 1.357 Euro kostet ein Intensivkurs für Human- und Zahnmedizin. Eckl vermutet in der Medizin auch die meisten Teilnehmer. Denn: Für die 11.409 Bewerber für das Wintersemester gab es nur 1.561 Studienplätze. Auch in der Psychologie sind die Plätze knapp: Marie wird keinen davon belegen - wie sie vor zwei Wochen erfahren hat.


(Oona Kroisleitner, Selina Thaler, 1.10.2015)

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