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Pfarrerinnen und Priester fallen nicht vom Himmel

Die angehende evangelische Pfarrerin Elke Petri und der künftige katholische Priester Rochus Hetzendorfer sehen ihre Zukunft in einer kleiner werdenden Berufsgruppe. Dennoch sind sie zuversichtlich. Foto: Christian Fischer

Immer mehr Menschen wenden sich vom Glauben ab, die Zahl der Priester und Pfarrer sinkt. Dennoch sehen junge Menschen in der Religion ihre Zukunft

Wien - Steigende Kirchenaustritte, Gemeindefusionen und wenig Ansehen. Warum entscheiden sich junge Menschen, Priester oder Pfarrerin zu werden und ihre berufliche Karriere auf einer geringer werdenden Glaubensbereitschaft aufzubauen?

"Ich spürte einen inneren Antrieb, dass es der Wille des Herrn ist, dass ich Priester werde", sagt der katholische Priesterseminarist Rochus Hetzendorfer. Er setzt lange Sprechpausen und hat das katholische Vokabular bereits verinnerlicht. In seiner Jugend bekannte sich Hetzendorfer zum Atheismus, später fand er seinen Weg vom Buddhismus zum Christentum. Er trat der Pfarrjugend bei und ging in die Sonntagsmesse. "Anfangs waren wir einige, dann immer weniger, bis ich übrig blieb. Ich war weiterhin ein Suchender". In seinem Beruf als Chemiker habe er gespürt, einen anderen Weg gehen zu müssen: von der Naturwissenschaft zur Kirche. Mit Menschen arbeiten, anstatt Boden- und Wasserproben zu nehmen.

Die Entscheidung, Priester zu werden, treffen immer weniger Personen. Gab es im Wintersemester 2004/2005 noch 1064 Studierende der Katholischen Fachtheologie, waren es zehn Jahre später 855 Personen. In der evangelischen Fachtheologie gab es 2004/ 2005 128 Studierende, 2014/2015 nur mehr 31 - und davon werden nicht alle Priester oder Pfarrer. Häufige Gründe dafür: der Zölibat und veraltete Moralvorstellungen.

Glaube an Gott

"Ich habe lange gezaudert, auch wegen des Zölibats", sagt Hetzendorfer. Nach der Lektüre von Erich Fromms Haben oder Sein sei ihm klar geworden, dass er mit der Familie nur etwas haben wolle, weil es ihm die Gesellschaft so vorlebe - nun genügt ihm der Glaube an Gott. Seine Motivation: Die Sorge um die Menschen. "Sie interessieren sich mehr für ihr Smartphone als für ihre Umgebung." Er möchte ihnen zeigen, "dass es wichtig ist, aufeinander zu achten und Beziehungen zu pflegen".

Nach neun Jahren Berufstätigkeit, einer einjährigen Indienreise und einer Wallfahrt nach Mariazell trat der heute 41-Jährige 2008 ins Priesterseminar der Erzdiözese Wien ein, wo derzeit 35 Seminaristen ausgebildet werden.

Glaube entscheidend

Auch für die künftige evangelische Pfarrerin Elke Petri war der Glaube für den Beruf entscheidend: "Wenn ich nicht die Botschaft verkünden mag, bin ich fehl am Platz". Man könne nur Pfarrerin werden, wenn man an Gott glaubt, was unterschiedlich gelebt werden kann. Petris Urgroßvater war evangelischer Pfarrer, in ihrer "freidenkerischen Familie" gab es Platz für Religion. Während ihrer Jugend habe sie auch "einengende Frömmigkeit" kennengelernt: "Da habe ich gemerkt: Für mich ist Glauben etwas Befreiendes, etwas, das mich trägt. Das will ich mit den Menschen teilen."

Petri trägt eine Kette mit einem kleinen Kreuz und macht ausladende Gesten, wenn sie spricht. Nach dem Theologiestudium arbeitete die Oberösterreicherin in der Telefonseelsorge. Obwohl diese Tätigkeit jener einer Pfarrerin ähnelt, wollte die 33-Jährige den Menschen persönlich helfen. So entschloss sich die dreifache Mutter und Frau eines Pfarrers, die Ausbildung zur Pfarrerin zu machen. Derzeit sind 20 angehende Pfarrer im Predigerseminar, darunter mehr Frauen als Männer. Auch im Studium sind mehr Frauen inskribiert.

Ausbildung in der Kirche

Seit September ist Petri Vikarin in der Pfarrgemeinde Korneuburg. Das zweijährige Vikariat ist die praktische Ausbildung nach dem Studium. "Es geht darum, selbst zu predigen, zu beerdigen, zu taufen, Konfirmandenarbeit und Hausbesuche zu machen", sagt Petri, die in ihrer Ausbildung auch Religionsunterricht geben muss. Ihr katholischer Kollege Hetzendorfer ist ebenfalls seit September in einer sogenannten Praktikumspfarre in Hollabrunn, wo er auch wohnt. Dort ist er einem Priester unterstellt, von dem er lernt.

Da der Wiener keine Matura hatte, musste er die Studienberechtigungsprüfung ablegen, um überhaupt Theologie studieren zu dürfen. Es folgte ein Jahr im Propädeutikum, wo die Seminaristen in Kursen sichergehen sollen, dass sie wirklich Priester werden wollen. "Das ist etwas anderes, als in die Sonntagsmesse zu gehen. Man hat täglich eine Messe, zusätzliche Gebetszeiten und Meditationsstunden."

Der Beruf als Berufung

In zwei Jahren will Hetzendorfer das Seminar abgeschlossen haben und als Priester tätig sein, was für ihn kein Beruf, sondern "Berufung" ist. Auch Petri ist in zwei Jahren mit ihrer Ausbildung fertig. Dann warten sehr wahrscheinlich eine Arbeitsstelle, ein sicheres Einkommen und eine Wohnung von der Pfarrgemeinde auf sie - aber die Jobsicherheit war für Petri keine Motivation, den Beruf zu ergreifen. Ihr sei erst später klar geworden, dass sie keine Angst um ihre Zukunft haben müsse. Nicht so wie die "Generation Praktikum, die nach dem Studium keine Stellen findet und in prekären Verhältnissen arbeitet".

Für sie der einzige Nachteil: Die Arbeit findet zu Hause statt - im Pfarrhaus. Bei ihren Freunden in Kreativberufen sei das allerdings auch so, und die neue Pfarrergeneration würde ohnehin Arbeit und Privatleben stärker trennen: "Es ist Selbstausbeutung, wenn ich mich nicht abgrenze" , sagt Petri, die nach getaner Arbeit ihren Talar ablegt und gewöhnliche Kleidung anzieht. Sie und ihr Mann haben sich dagegen entschieden, im Pfarrhaus seiner Kirche zu wohnen, ihre Kinder seien nicht als Pfarrerskinder bekannt.

Hetzendorfer sieht diese Verschmelzung als "Ideal". Er wird in Zukunft mit Kollarhemd in der Öffentlichkeit als Kleriker klar erkennbar sein. Dennoch brauche er Zeit zum Beten und für seine Hobbys: "Ich gehe in die Berge oder ins Kino. Daraus schöpfe ich Kraft, um für die Menschen da zu sein."

Kein spirituelles Bedürfnis

Es gibt mehrere Gründe für die Abwendung vom Glauben: Für Hetzendorfer ist es die "Zeit der Aufklärung, die einseitige Gesellschaftsbilder als Gegenentwurf zur christlichen Tradition hervorgebracht hat". Petri merkt, das "immer weniger Menschen ein großes Bedürfnis haben, ihre Frömmigkeit und Spiritualität zu teilen". Manchmal überkomme sie ein "Pessimismus, dahingehend, ob eine Generation nachkommt, doch im nächsten Moment weiß ich, dass für uns gesorgt sein wird".

Mehrheit für Katholiken

Bei der Volkszählung 2001 wurde das letzte Mal die Religion abgefragt. Damals bekannten sich 73,6 Prozent der Bevölkerung zum Katholizismus, 4,9 Prozent zum Protestantismus. Laut Prognosen des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften werden 2051 35 bis 60 Prozent Katholiken in Österreich leben, die Zahl der Muslime wird mit 14 bis 20 Prozent jene der Evangelischen (drei bis fünf Prozent) übersteigen.

Das hat mit Migrationsbewegungen, vielen Konfessionslosen und Kirchenaustritten, die auch auf die Missbrauchsfälle zurückzuführen sind, zu tun. In einem Punkt sind sich die angehenden Seelsorger einig: Bekennen sich weniger Menschen zum Glauben, werden weniger Personen Pfarrer. "Die Priester fallen nicht vom Himmel, sondern kommen aus dieser Gesellschaft", sagt Hetzendorfer. Der Zölibat sei kein Grund für den Priestermangel, glaubt Hetzendorfer, den Mangel gebe es auch in der evangelischen Kirche.

In der katholischen Kirche bedeutet das in der Praxis, dass ein Priester oft mehrere Gemeinden betreuen muss. Hetzendorfer sieht das gelassen: "Ich lege mein Leben in Gottes Hände und vertraue ihm, dass die Anforderungen nicht meine Möglichkeiten übersteigen." (Selina Thaler, 2.5.2015)

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