Pascal Schuh begleitet in seinem ersten Dokumentarfilm eine Rebornerin –
eine Frau, die Puppen hat, die wie echte Babys aussehen und diese auch
so behandelt.
SZ-Magazin: Was gibt es den sogenannten Rebornerinnen, sich um die Puppen zu kümmern, als wären sie echt?
Pascal Schuh: Zunächst denkt man vielleicht an Leute, die ein Kind verloren haben, das ist ein Grund. Und es gibt die typischen Puppensammlerinnen, die das leidenschaftlich als Hobby betreiben. Bei Peggy Schulz geht es meiner Meinung nach um das Emotionale, das Muttersein und Gebrauchtwerden. Nachdem ihr Sohn ausgezogen ist, wollte sie diese Gefühle weiterhin haben. Außerdem bringt es einen Rhythmus in ihren Alltag und hält sie als Frührentnerin in Bewegung - sie geht jeden Tag bis zu zehn Kilometer mit den Babys spazieren.
Hat Ihr Film ein Anliegen?
Ich wollte mit dem Film größere Akzeptanz für das Thema schaffen. Es gibt sehr viele negative Berichte, in denen Rebornerinnen wie Peggy Schulz vorschnell als verrückt dargestellt werden.
Wie haben Sie versucht, Peggy neutral darzustellen?
Unser ursprünglicher Plan war es, dem Zuschauer zu verheimlichen, dass es hier nicht um echte Babys geht. Wir haben schon ein bisschen darauf hingefilmt, ein Geheimnis zu erzählen, das erst gegen Ende aufgelöst wird. Aber das Problem war, als wir das so geschnitten haben, war Peggy nur noch die seltsame Frau, die eine Puppe als echtes Baby behandelt. Das wirkte sofort bloßstellend. So haben wir sie nicht erlebt und so wollten wir sie auch nicht darstellen. Es gab also ein sehr großes Umdenken. Das hat eigentlich am meisten Spaß gemacht.
Im Film wird kurz erwähnt, dass Peggy früher als Erzieherin gearbeitet hat. Sind die Puppen für sie eine Art Ersatz für Sohn und Job?
Definitiv. Sie hatte immer mit Kindern zu tun. Da sie Frührentnerin ist, war der Beruf eine weitere Konstante, die wegfiel. Man könnte bei ihr von einer Berufung sprechen, Mutter zu sein.
Man sieht im Film, wie Peggy mit den Puppen spricht. Es gibt aber auch Szenen, in denen sie etwas weniger feinfühlig mit ihnen umgeht, als man das mit echten Babys tun würde. Sieht sie die Puppen wirklich als Kinder an?
Das hat Peggy immer verneint. Und das glaube ich ihr auch. In meinen Augen ist Peggy eine hochintelligente Frau, die sich dessen absolut bewusst ist. Trotzdem denke ich, dass sie den Babys auf eine Art Liebe gibt und die auch zurückbekommt. Am Ende des Tages stellt sie die Babys aber auch mal in die Ecke oder lässt sie auf der Couch liegen.
Peggy spricht auch über ihre Kindheit und den Suizid ihres Bruders und ihrer Mutter. Während der sechs Drehtage habe ich gespürt, dass da ein Geheimnis in Peggy schlummert. Erst am letzten Tag hat sie uns davon erzählt. Ich hoffe, dass der Zuschauer dadurch besser nachvollziehen kann, aus welchen Gründen Peggy die Babys hat. Ohne diese Information wäre sie nur die Frau, die mit ihren Puppen durch Berlin geht.
Es werden im Film immer wieder kurze Sequenzen aus der Produktion der Puppen gezeigt. Wer stellt Reborn Babys her?
In der Regel kauft man einen Bausatz von einer Künstlerin und gibt diesen dann zu einer Puppenmacherin speziell für Reborn Babys. Das können sehr unterschiedliche Leute sein. Sybille Schmidt, die das Baby in unserem Film anfertigt, ist hauptberuflich Zahnärztin und macht das als Hobby. Sie geht dadurch ihrer Liebe zum Handwerk nach. Aber es gibt auch Leute, die davon leben.
Was halten Sie persönlich von Reborn Babys?
Ich finde, man muss Peggys Lebensstil nicht verstehen, um zu akzeptieren, dass sie glücklich damit ist. Menschen, die noch nie mit dem Thema in Kontakt gekommen sind, reagieren oft mit Abwehr, ich persönlich eher mit Neugierde. Am Anfang des Drehs ist mir trotzdem bewusst geworden, dass ich selbst noch Vorurteile hatte. Die wurden während des Drehs dann aber beiseite geräumt.
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