Ein Kommentar von Sebastian Werner
"Die Siegesfeier am Brandenburger Tor wird zum gigantischen Eigentor." Finden Sie nicht? Ich auch nicht. Aber so beschreibt die 'FAZ' im Feuilleton die "üble Persiflage" der DFB-Elf auf ihren Gegner Argentinien. Der Tanz des Anstoßes: Die Spieler performten auf der Bühne das Lied "So gehen die Deutschen, die Deutschen, die gehen so". Diesen Fan-Gesang kennen wir seit Jahren - nur bisher wurden damit vor allem unsere Nachbarn aus den Niederlanden bedacht.
In der ersten Zeile, bei der nicht strahlend und springend, sondern gebückt und geknickt 'gegangen' wird, hieß es diesmal: "So gehen die Gauchos, die Gauchos, die gehen so!" Fußball-Deutschland tobt. Aber vor Freude - auf den Straßen, wo unsere Weltmeister empfangen werden! Doch viele Kommentatoren meinen: Fußball-Deutschland tobt, weil die DFB-Elf mit der Veralberung des unterlegenen Gegners aus Südamerika gleich das gerade aufpolierte Image einer ganzen Nation wieder ramponiert habe. Im Ernst?
Mal ehrlich: Das ist nur ein Fan-Gesang, keine große Außenpolitik! Und wer die ganze Siegesfeier gesehen hat, weiß: Hier haben die Nationalspieler viele lustige Aktionen gezeigt, mit dem Ziel, die Fans einzubinden - das gelingt natürlich, indem man die Stimmung der Menschen aufgreift, und auch ihre Gesänge. Man könnte es kaum besser zeigen - 'wir sind ein Team': Die Fußballer, die den Titel gewonnen haben, und die Nation, die hinter ihnen steht.
Der Rest der Welt sieht nur eine berauschende Titelfeier
Die Reaktionen der Anhänger geben den Spielern recht: Bei Facebook & Co. ist zu erkennen, wie die Menschen in Deutschland ticken - und sie stehen auch nach dem Gaucho-Tanz hinter dem Team. Die Kritik kann kaum einer nachvollziehen, stattdessen gibt es viel Gegenwind für die Kritiker. Das Video zum Tanz hat auf der Facebook-Seite von RTL Aktuell in wenigen Stunden mehrere Tausend 'Gefällt mir'-Angaben gesammelt.
Interessant ist auch das Twitter-Feedback - der Tenor ist derselbe wie bei Facebook - dort ist #gauchogate am Morgen nach der Feier eines der meistgenutzten Hashtags - in Deutschland. Und das zeigt auch schon den Knackpunkt: In den weltweiten Twitter-Trends taucht das Thema nicht auf. In denen für Argentinien? Fehlanzeige.
Wie können wir also unser Image mit einer Aktion ramponieren, die weltweit überhaupt nicht beachtet wird? Auch der Blick in die internationale Presse zeigt: Es war einfach eine berauschende Feier der Fans mit ihren Helden - mehr nicht. "Der Fußball bringt Deutschland nun Euphorie und Stolz", schreibt zum Beispiel Frankreichs größte Tageszeitung 'Le Figaro'.
Man hätte das vor einem Millionenpublikum ja nicht gleich so ausbreiten müssen, kritisieren einige. Doch genau diese Stimmen sind es, denen wir die immergleichen emotionslosen Fußballer-Interviews nach emotionalen Spielen zu verdanken haben: Wenn dieser kurze authentische Moment unserer Spieler auf der Berliner Bühne jetzt so stark kritisiert wird, könnte das Folgen haben: Bald haben wir nur noch Özils am Mikrofon der Reporter - und keine Mertesackers mehr.
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