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Politik-Talk bei der Sparkasse Mainfranken: "Alternativlosigkeit ist kein Grundbegriff der Demokratie"

Die Teilnehmer der Diskussionsrunde (von links): Moderator Bernd Zehnter, Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein und Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude. Foto: Sebastian Schwarz/B4BMAINFRANKEN

Wie geht es in Bayern und Berlin nach der Landtagswahl weiter? Über diese Frage diskutierten Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) und Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) auf Einladung der Sparkasse Mainfranken.

Bei der Podiumsdiskussion in der Steigerwaldhalle in Wiesentheid gingen die beiden Ex-Politiker mit der aktuellen Politik teils hart ins Gericht. Geleitet wurde die rund zweistündige Gesprächsrunde von Fernsehmoderator Bernd Zehnter.

So waren sich Beckstein und Ude einig darin, dass die CSU im Wahlkampf zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen sei. „Die Koordination zwischen Markus Söder und Horst Seehofer ist nicht gelungen", sagte Beckstein, um zugleich zu betonen: „Im Vergleich zum Frühsommer hat die CSU noch die Kurve gekriegt". Als Ursache für das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl machte der ehemalige Ministerpräsident vor allem die politischen Streitereien zwischen CDU und CSU aus. „Solche Auseinandersetzungen sind dem Ansehen einer Regierung nicht förderlich", so der 74-Jährige. Diese Einschätzung teilte auch Christian Ude. „Die Machtdemonstration von Horst Seehofer war nicht förderlich, sondern im Gegenteil sogar schädlich", kritisierte der ehemalige Münchener Oberbürgermeister. Zwar sei es durchaus legitim gewesen von Seehofer, das Thema Rechtsübertritte von Flüchtlingen zu thematisieren. Aber daraus einen Konflikt zu machen, wenn man selbst keine Lösung parat habe, das habe schon groteske Züge.

Aberwitziger Fehler

Aber auch mit Blick auf seine eigene Partei sparte Ude nicht an Kritik. „Die SPD ist gerade dabei, einen aberwitzigen Fehler zu machen", so der 71-Jährige. Die Partei habe sowohl an CSU, Freie Wähler und Grüne erheblich Stimmen verloren. „Da kann man doch nicht im Ernst sagen, unser einziger Fehler ist die Koalition mit der CDU in Berlin", sprach sich Ude vehement gegen eine vorzeitige Beendigung der Großen Koalition aus. „Ich fürchte die SPD ist dabei, noch tiefer reinzumarschieren nach der Parole ‚Alleine sind wir stärker'", so der frühere Münchener Rathauschef. Auch CSU-Mitglied Günther Beckstein zeigte sich angesichts der Lage des einstigen politischen Hauptkonkurrenten in Bayern beunruhigt. „Ich sehe mit großer Sorge, dass die große demokratische Kraft SPD in manchen Landkreisen in Bayern keine fünf Prozent mehr erreicht hat", so der promovierte Jurist.

Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in München zeigten sich beide Politiker überzeugt, dass es zu einer Koalition zwischen CSU und Freien Wählern kommen wird. „Ich habe offen gesagt bisher keine fundamentalen Unterschiede zwischen den Parteien gesehen", sagte Günther Beckstein. Ein Selbstläufer würden die Koalitionsverhandlungen dennoch nicht werden, denn die Freien Wähler seien ein „selbstbewusster Haufen". Die Partei werde darauf achten, dass sie nicht das gleiche Schicksal ereile wie die FDP nach deren Koalition mit der CSU von 2008 bis 2013. Christian Ude sah indes keine Hindernisse für die sich anbahnende Regierungskoalition. „Ich glaube, Hubert Aiwanger (der Parteichef der Freien Wähler, Anm. d. Red.) wird unterschreiben, er hat bisher keine dreisten Forderungen gestellt", so der Sozialdemokrat. „Ganz im Gegenteil, Seehofer und Söder überbieten sich ja geradezu darin, wer zuerst von der Startbahn 3 zuerst Abstand genommen hat", merkte Ude spöttisch an.

Unterschiede härter diskutieren

Weitgehend einig waren sich die beiden ehemaligen Spitzenpolitiker auch bei der Frage nach dem richtigen Umgang mit der AfD. „Demokratie lebt von der offenen Diskussion und den verschiedenen Meinungen. Wenn wir das wieder zulassen, werden die demokratischen Parteien der AfD turmhoch überlegen sein", forderte CSU-Parteigrande Günther Beckstein. Die Parteien müssten ihre Unterschiede wieder härter ausdiskutieren. So sei etwa ein Thema wie die Migrationspolitik nie im Bundestag diskutiert worden, sondern praktisch durch Verwaltungshandeln erledigt worden. Ähnlich sei es auch bei der Energiewende oder Euro-Rettung gewesen. „Alternativlosigkeit ist aber kein Grundbegriff der Demokratie", stellte Beckstein mit einem Seitenhieb auf Bundeskanzlerin Angela Merkel fest.

Ein vernichtendes Zeugnis stellte Christian Ude den Parteien in Berlin aus. „Sie haben beim Umgang mit der AfD alles falsch gemacht", betonte der studierte Jurist. Es sei von Anfang ein Fehler gewesen, die Partei und deren Äußerungen zu tabuisieren. „Wenn Meinungen auftauchen, die man für falsch hält, muss man sich mit diesen auseinandersetzen anstatt sie zu dämonisieren", so Ude. „Wir müssen mit der AfD hart in der Sache diskutieren, und sie so zu einem Offenbarungseid zwingen", forderte er. Auch sei es wichtig, Themen offen anzusprechen und sich nicht selbst einen Maulkorb anzulegen. „Dass man vonseiten der SPD gesagt hat, man dürfe nicht über offene Grenzen reden, hat der AfD geholfen", kritisierte der Sozialdemokrat.


Erschienen am 2. November 2018 auf www.b4bmainfranken.de


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