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Drei Jahre Polizeivertrauensstelle: Womit sich Thüringens Blaulicht-Kummerkasten befasst


Die bislang amüsanteste Anfrage an die Polizeivertrauensstelle im Thüringer Innenministerium ist noch gar nicht so lange her. Leiterin Meike Herz berichtet, dass eine Theatertruppe ein Agatha-Christie-Stück aufführen wollte und sich einen echten Polizisten auf der Bühne wünschte. Herz erinnert sich, dass die Bitte an die Geraer Polizei weitergereicht wurde, die helfen konnte.

Das Beispiel mag zum Schmunzeln anregen, doch es zeigt, dass Herz und ihr Team gerne als Kontaktbörse zur Thüringer Polizei angerufen werden. Nur rund 600 der 1.338 Anfragen seit der Gründung der Stelle zum 1. Dezember 2017 seien Beschwerden gewesen, berichtet Herz. Die übrigen seien ein bunter Mix gewesen. Lob sei dabei, genauso der Wunsch nach mehr Polizei-Präsenz vor Ort. Ältere Damen hätten sich gemeldet, die vom Schwiegersohn finanziell erleichtert wurden und dies nun bereinigen wollten, ohne die Ehe der Tochter zu gefährden.


Viele Bürger kennen den Dienstweg nicht


Und egal, ob Beschwerde oder Lob: "Viele Bürger finden es einfacher, mit uns zu kommunizieren, als mit den einzelnen Polizeidienststellen. Und häufig kennen die Bürger den offiziellen Weg nicht, wenn sie sich über das Vorgehen der Polizei beschweren wollen." Hinzu komme, dass besonders im Gebiet der kleineren Dienststellen beinahe Jeder Jeden kennt. Wer sich hier von der Staatsgewalt ungerecht behandelt fühlt, wolle seine Beschwerde gerne bei jemandem loswerden, der mit seinem Kontrahenten bestimmt nicht per Du ist.


Von den 600 Beschwerden, die die Polizeivertrauensstelle in drei Jahren erhalten hat, stuften Herz und ihr Team 138 als "berechtigt" oder "teilweise berechtigt" ein. 31 Fälle mündeten in Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden. An denen ist die Polizeivertrauensstelle nur noch als Zaungast beteiligt: Herz und ihre Mitarbeiter haben keine eigenen Ermittlungsbefugnisse.


Das zu ändern, haben sich Die Linke, SPD und Grüne vorgenommen: Im Koalitionsvertrag, den die drei Parteien im Januar vereinbarten, heißt es:

"Die Polizeivertrauensstelle leistet bereits einen wichtigen Beitrag, um Konflikte zu lösen, Fehlverhalten abzustellen und Vertrauen zwischen Polizei und Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Um ihre Wirksamkeit und Akzeptanz zu erhöhen, erhält sie eigenständige Untersuchungsbefugnisse und steht künftig auch Polizeibeamtinnen und -beamten offen. Eine mögliche strukturelle Unabhängigkeit der Polizeivertrauensstelle wird geprüft."

Zusätzliche Stellen geplant


Keines dieser Ziele ist bisher verwirklicht. Immerhin: Eine Öffnung der Vertrauensstelle für Probleme von Polizistinnen und Polizisten wird inzwischen im Innenministerium diskutiert. Sprecherin Anne Bressem zufolge befasst sich gerade der Personalrat damit.

Für eigenständige Ermittlungsbefugnisse und eine Unabhängigkeit vom Innenministerium wollen die Koalitionsfraktionen nach Angaben des Linke-Innenexperten Steffen Dittes demnächst einen Antrag in den Landtag einbringen. Zunächst einmal, so Dittes, solle die Vertrauensstelle personell gestärkt werden: Im Haushaltsentwurf für 2021 sind mehrere zusätzliche Stellen dafür vorgesehen.


Schon dafür braucht Rot-Rot-Grün unter der aktuellen politischen Konstellation Stimmen der CDU. Deren Innenexperte Raymond Walk hält sich einstweilen bedeckt, wenn er nach mehr Personal für die Vertrauensstelle gefragt wird. Das sei in der Fraktion noch nicht abschließend beraten worden.


Die übrigen Ziele von Rot-Rot-Grün für die Vertrauensstelle stoßen bei Walk, der selber Polizist ist, nicht unbedingt auf Gegenliebe. "Ich finde, dass die Vertrauensstelle im Innenministerium gut aufgehoben ist", sagt er. "Keinen Änderungsbedarf" erkennt er darin, dass die Vertrauensstelle keine Ermittlungsbefugnisse hat. Und ob es erforderlich sei, die Vertrauensstelle für die Belange von Polizisten zu öffnen, werde noch zu diskutieren sein.

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