Ein Streitgespräch zwischen Karen Schmied und Sascha Lobo
Von Sebastian Blum, MTM-Live-RedaktionWie erreichen Medienhäuser die nächste Generation? Diese Frage beschäftigt jeden Journalisten, der seinen Beruf noch länger als zwanzig Jahre ausüben will. Sascha Lobo und Karen Schmied, Chefin von Radio Fritz, haben Lösungen laut ausgedacht. Die Krux ihrer Aussagen lautet: Die Zukunft liegt im Ohr.
Sascha Lobo kann sich seine harsche Kritik an der mangelnden Reformkultur der öffentlich-rechtlichen Medien nicht verkneifen. Dem Radio räumt er die größten Chancen ein, sich an eine neue Generation von Usern anzupassen. Seine Lösungsvorschläge resultieren vor allem, so klingt es im Gespräch, aus Beobachtungen. Hier und da treffe er Jugendliche, sagt er, um sich anzuschauen, wie sie Medien konsumieren. Eine zentrale Erkenntnis: mit Stöpseln im Ohr. „Ihr wichtigstes Medienerlebnis ist der Sound", stellt Lobo fest. Die Sprachnachricht habe die geschriebene SMS längst abgelöst. „Jugendliche haben teilweise acht Stunden am Tag ein Radioempfangsgerät im Ohr." Die große Frage richtet er an Karen Schmied persönlich: Wie schaffe ich es als Radiosender, den ganzen Tag auf dieses Empfangsgerät zu kommen?
Radio Fritz: „Digitalmarke mit Multimedia-Strategie"Mit Karen Schmied hat er eine rbb-Journalistin vor sich, die seine Analyse dankend aufgreift. Seit Februar bastelt die Programmchefin von Radio Fritz ihren Sender um, und zwar zu einer „Digitalmarke mit Multimedia-Strategie". Schmied erklärt den Prozess, den bald das gesamte rbb absolvieren soll. Radio Fritz ist insofern eine Art Versuchslabor für ein größeres Projekt, das hat Moderator Christian Bollert (detektor.fm) schon in seiner Anmoderation richtig festgestellt.
„Wir sind auf ein neues Pferd umgestiegen", erklärt Schmied den aktuellen Strukturwandel. Sie zieht Ressourcen aus dem Radio ab und steckt sie in die Social-Media-Produktion, nach und nach. „Natürlich blutet einem das Radioherz, wenn man das 20 Jahre gemacht hat. Aber es muss sein." Formate, das sei so ein Unwort, aber doch der Schlüssel. Inhalte müssten an neue Plattformen und Kanäle angepasst werden, sonst klappe es nicht. Radio Fritz denkt zum Beispiel über einen WhatsApp-Audio-Newsletter nach. Die drei wichtigsten regionalen Tagesthemen bei den Jugendlichen direkt aufs Handy, direkt ins Ohr. Zielgruppenorientiert, ganz nah daran, was die User verlangen.
Lobo geht noch einen Schritt weiter. „Ich glaube, dass alle Medien in naher Zukunft ein Customer-Relationship-Management-Instrument (CRM) brauchen." Ein Tool, am besten wohl ein ganzes Büro, das sich mit den Vorlieben, Sorgen und Wünschen der User beschäftigt? Was er genau meint, führt er nicht aus. Aber einen provokativen Kommentar in Richtung Öffentlich-Rechtliche kann er sich nicht verkneifen: „Beim rbb kommt das wohl erst 2070."
„Wir richten unseren Fokus auf die Community", verspricht Schmied. Was Radio Fritz im Kleinen ausprobiere, komme in ein paar Jahren im gesamten rbb. Ist also doch nicht alles verloren? „Lineares Radio kommt nicht mehr zurück", ist Lobo überzeugt. Für alles andere sei wie immer „viel Luft nach oben".